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Riemenschneider

Riemenschneider

Titel: Riemenschneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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Burgbesatzung übergeben. Die Bürger hatten sich selbst entwaffnet, hatten ihre Stadt entblößt und vertrauten nun auf die Barmherzigkeit ihres Hohen Herrn.
Sein Befehl lautete: Alle Männer der Bürgerschaft hatten sich bis spätestens sieben Uhr am Morgen des 8. Juni vor den Stufen des Doms einzufinden, die Fremden aus anderen Städten auf dem Judenplatz vor der Marienkapelle, Bauern und Knechte aus den umliegenden Dörfern mussten sich am Rennweg versammeln. Wer nicht erschien, der gestand damit seine Schuld ein und hatte jegliche Gnade verwirkt.
»Ich weiß nicht, wie lange meine Männer heute da rumstehen müssen?« Magdalena tunkte den Finger in den Teig, kostete und gab noch etwas frisch geraspelten Ingwer hinzu. »Die Strafpredigt wird sicher dauern. Aber erst Hirsebrei und obendrauf noch ein dicker Speckpfannkuchen. Da haben sie wenigstens genug im Bauch.«
Die beiden Söhne kamen gemeinsam die Treppe hinunter, sprachen im Flur mit gedämpfter Stimme. Barthel trug schon seine weiche, übers rechte Ohr fallende Stoffmütze, erst im Speisesaal fiel es ihm auf, und er nahm sie ab. »Aufgeregt bin ich schon.«
»Und ich …« Hans setzte sich, legte den Löffel quer über zwei Finger und versuchte ihn zu balancieren, er schwankte, kippte. »Da siehst du’s.«
»Ich möchte nur wissen, warum sich die Männer in drei Gruppen aufteilen müssen?«
»Vielleicht, weil sich so das Vieh leichter zählen lässt.« Der Scherz rang beiden nur ein dünnes Grinsen ab.
Eines der Küchenmädchen brachte die dampfende Schüssel herein. »Magdalena meint, ihr sollt schon anfangen. Wir Frauen essen später, wenn ihr los seid.« An der Tür fiel der Magd ein: »Sobald der Brei alle ist, sollt ihr Bescheid geben. Es gibt noch eine Überraschung.« Sie drehte sich um und stand vor Meister Til. »Um Verzeihung, Herr.«
»Was für eine Überraschung?«
»Wenn ich das jetzt sage …« Schnell drückte sie sich an ihm vorbei. »Dann ist es ja keine mehr.«
»Albernes Ding«, brummte er und kam mit seinem Altgesellen an den Tisch. Sie waren noch rasch hinter der Werkstatt gewesen, um die Vorräte an Steinen und Holz zu überprüfen. Jetzt, da sich die Lage in der Stadt bald normalisieren würde, wollte der Meister so rasch wie möglich den vollen Betrieb in beiden Werkstätten wieder aufnehmen.
»Was wir benötigen, sind Gesellen.«
Tobias füllte ihm die Breischale. »Ohne Aufträge? Zurzeit bin ich froh, dass wir allein sind.« Auch die letzten drei der Gesellen waren in der vergangenen Woche davongezogen.
»Sie haben es gerade noch rechtzeitig geschafft.« Til nickte vor sich hin. »Welch ein Glück.« Denn am Pfingstsamstag hätten seine Gesellen wie die anderen jungen Handwerksburschen im Sturmtrupp mit der Schwarzen Schar und dem Fränkischen Heer hinaus in Richtung Ingolstadt gemusst. Dort war es am Pfingstfest dann zur zweiten Schlacht gekommen. Auf dem Feld bei Sulzbach waren erneut mehr als viertausend Bauern niedergemacht worden. Nicht in drei wie bei Königshofen, dieses Mal hatte der Truchsess mit seinen Landsknechten lediglich eine Stunde benötigt, um die Bauernheere endgültig zu vernichten. Von diesem Blutsonntag waren nur eine Handvoll Männer nach Würzburg zurückgekehrt.
»Gut, dass es ein Ende hat.« Til aß vom Hirsebrei; zwischen zwei Löffeln bat er den Altgesellen: »Erinnere mich nachher dran, dass ich Jörg bitte, so bald wie möglich nach Rimpar zu reiten. Die Herren von Grumbach haben das Beweinungsrelief schon bezahlt. Auch wenn ihre Kirche zerstört ist, vielleicht wollen sie es ja an einem anderen Platz aufstellen.«
Rupert kam herein: »Entschuldigt. Aber ich hab noch schnell das Vieh gefüttert. Wer weiß, wie lange wir wegbleiben.« Er trug einen frisch gewaschenen Kittel, den breiten Ledergürtel, und um den Hals hatte er sich ein neues Schweißtuch gebunden. Betont anerkennend nickte Hans. »Alles, was recht ist, da hat sich einer aber fein rausgeputzt.«
Gleich sattelte Barthel obendrauf: »Und dieser besondere Haarschnitt. Über dem einen Ohr fällt es füllig und über dem anderen ist es fast kahl.«
Rupert stieg das Blut ins Gesicht, schließlich aber gelang ihm sein Grinsen bis zur Zahnlücke. »Spottet ihr nur.« Er wurde ernst, leise setzte er nach einer Weile hinzu: »Das Neue konnte nicht kommen, und so, wie’s die Bauern gemacht haben, fand ich es nicht gut. Da hab ich mir gedacht, auch wenn jetzt das Alte wiederkommt, dann könnten wir trotzdem neu anfangen. Und da helfen frische

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