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Riemenschneider

Riemenschneider

Titel: Riemenschneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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wieder herrscht.«
»Ihr sprecht mir aus dem Herzen.« Der Stadtschreiber tippte bekümmert auf das Blatt in der Hand. »Doch diese Leute hier sind dagegen. Und wie ich gehört habe, wollen auch viele Bürger in der Stadt Fürstbischof Konrad nicht mehr zum Herrn haben.«
»Diese Verräter«, flüsterte der Domherr; die Vorstellung, für immer ohne Pfründe und Vorrechte leben zu müssen, ließ das Kinn erbeben. »Verdammt sollen sie sein.« Speichel quoll ihm aus den Mundwinkeln, tropfte auf den Samtkragen, er nahm es nicht wahr, wandte sich langsam ab und schlurfte auf seinen Platz neben Paulus Schroter zurück.
2. Juni, der Freitag vor Pfingsten
Kein Gelächter, zu laut pochte das Herz; die Suppe schmeckte nicht, zu angespannt waren die Sinne. Im Bauernlager nahe Königshofen wusste jeder Mann: Der Feind wird kommen, heute noch … Der Feind ist mächtig, mächtiger als wir. »Ich hab gehört, fünftausend Reiter sollen es sein«, flüsterte der Odenwälder Bauer seinem Nachbarn aus dem Neckartal zu. »Und mehr als zehntausend Fußknechte.«
»Beschwör’s nicht! Sonst stimmt’s nachher wirklich.«
»Aber ich war doch dabei, als unser Kundschafter beim Zelt vom Metzler Meldung gemacht hat.« Die eigene Angst ließ den Bauern hartnäckig werden, nun bestand er darauf, das drohende Unheil genau zu benennen. »Zweiundvierzig Geschütze führen die Bündischen mit sich. Und zweitausend Kriegswagen.«
Seinem Kumpanen schwappte die Suppe aus dem Napf über die Hand. »Vielleicht kommen sie gar nicht. Könnte ja sein. Vielleicht …« Ohne den klebrigen Brei zu beachten, wischte er sich über die Stirn. »Ich wünscht, ich wäre daheim.«
Beide blickten hinauf zum Wartberg hoch über Königshofen. Von dort oben waren die Furt in der Tauber und auch das Talnach Westen genau zu beobachten. Ruhig standen die Späher zwischen den Zinnen. Nichts. Noch nicht.
Nach der Flucht ihres Feldhauptmanns Götz hatten der Oberbefehlshaber im Bauernrat, Georg Metzler, und sein Kanzler Wendel Hipler selbst das Kommando übernehmen müssen. »Wir könnten es schaffen. Wenn der Truchsess nicht hier mit uns rechnet. Wenn wir ihn überraschen können …« Niemals zuvor hatte der kluge Jurist Hipler das Wort »wenn« so oft im Mund geführt wie an diesem Tag. Metzler, der Wirt aus Ballenberg, wiegte den Kopf. »So viel kann der Truchsess gar nicht saufen. Der weiß längst genau, dass wir hier sind. Unser einziger Vorteil sind unsere Feldschlangen oben auf dem Wartberg. Die stehen da sehr gut. Mit hartem Beschuss könnten wir ihn dran hindern, über die Tauber zu kommen.«
»Noch ein Vorteil.« Der Kanzler hob den Finger. »Unsere Rotten kämpfen mit dem Herzen, kämpfen für unser Ziel. Die Landsknechte nur für Sold. Mag der Feind uns auch in der Zahl hoch überlegen sein. Wenn es aber zum Treffen kommt, wird unsere Begeisterung sicher einige Tausend Mann wettmachen.«
Metzler ließ langsam den Blick über das Zeltlager schweifen. »Wohler wär’s mir, wenn Bruder Florian Geyer mit seinen Schwarzen und dem Fränkischen Haufen dabei wär.«
Signal vom Turmberg. Die schnellen Stöße fuhren wie Stiche in die Senke nieder. Alarm! Mit den Spießen in der Faust rannten die Bauern zu ihrem Fähnlein, ihre Rufe übertönten die Befehle der Unterführer, nach und nach erst fanden sie sich zu einer Ordnung.
Die Wagen rollten. Fuhrleute hieben auf die Gäule ein. »Zum Berg! Zum Berg!« Auf halber Höhe bildeten sie mit den Gespannen einen Schutzwall, und im Eilschritt folgten die Rotten, stellten sich hinter den Wagen zum Kampf auf.
Ihre obersten Führer stiegen den Turm hinauf. Entsetzt schlug Wendel Hipler die Hände vors Gesicht. »O großer Gott, hab Erbarmen!« Dann zwang er sich wieder, in die tief stehende Sonne zu blicken, und musste begreifen, welche Höllenmacht dort heranmarschierte. Helme blinkten, auf den Spitzen der langen Spieße züngelten Flammen, das Fußvolk waberte wie ein glühender Strom näher; der Lärm nahm zu; ein Poltern drang nun herauf, dumpf und rhythmisch. Hufe von Abertausend Pferden stampften den Boden. Die Reiter hatten den Fluss erreicht.
»Schießen«, stammelte Hipler. »Wir müssen schießen.« Er riss den erstarrten Mitfeldherrn am Arm. »So hör doch!«
Georg Metzler wachte auf, gab Befehl, und die Geschütze unter ihnen brüllten auf. Jenseits des Flussübergangs schlugen die Kugeln ein. Nur kurz dauerte die Verwirrung, dann trieben die ersten Reiter schon ihre Gäule ins Wasser. »Laden!«, schrien die

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