Riemenschneider
stieß den großen Mann gegen die Brust, dass er rückwärts stolperte, dabei aber riss ihm der Rohling mit einem Griff das Wams auf; weil er keine Geldkatze fand, trat er ihm fluchend in den Hintern und nahm sich das nächste Opfer vor. Meister Til hatte sich nicht gewehrt, er straffte das eingerissene Wams, so gut es noch möglich war, vor der Brust, hob die Stirn und schritt weiter.
»Wie räudige Hunde«, schimpfte Magdalena halblaut vor sich hin. Die Frau vor ihr hatte es gehört und blickte über die Schulter. »Das Ganze ist so erniedrigend, nicht wahr …« Jetzt erkannte sie die Haushälterin des Bildschnitzers. »Du bist es.« Und trotz aller Aufregung lächelte auch Magdalena, war dankbar, die Gemahlin des Stadtschreibers zu sehen. »Haben sie Euren Mann auch schon beraubt?« Margaretha Cronthal wies zum ihm hinüber. »Erst haben sie dem Bürgermeister das Siegel und auch sein Geld abgenommen, dann sind sie gleich zu zweit über Martin hergefallen. Sieh doch, wie sie seinen Kleidern zugesetzt haben. Gott sei Dank haben sie ihm die Brille gelassen.«
»Die Kleider können wir wieder flicken. Ich hoffe nur, dass niemand verletzt wird.« Vor dem Rathaus stockte der Zug, nacheinander wurden die Gefangenen durchs Portal hineingestoßen. Frau Cronthal winkte ihrem Mann, rief seinen Namen, doch der Stadtschreiber hörte sie nicht. Magdalena reckte sich, wünschte so sehr, dass Til ihre Blicke spürte, Kraft von ihr mitnahm. Kurz vor dem Portal wandte er den Kopf, sah in ihre Richtung, fand sie aber nicht, dann wurde auch er durchs Portal getrieben.
»Ich muss zum Rennweg.« Magdalena fasste die Hand der Frau. »Dort steht Rupert mit unserem Altgesellen. Es lässt mir keine Ruhe. Ich muss nach ihnen sehen. Könnt Ihr hierbleiben? Und den drei Söhnen winken? Falls sie herschauen, wissen sie, dass wir Frauen sie nicht alleinlassen.«
»Natürlich warte ich, allein schon, weil ich meinen Mann heute Nachmittag wiederhaben möchte.« Margaretha schenkte ihr einen warmen Blick. »Ihr seid eine gute Seele. Ich will gar nicht fragen, wo die Gattin des Meisters sich aufhält. Hier wäre jetzt ihr Platz.«
»Das ist meine Familie …« Ohne es zu wollen, hatte Magdalena die Faust geballt, als es ihr auffiel, fühlte sie sich ertappt. »Verzeiht, so wollte ich nicht sprechen. Aber dieser Tag heute …«
»Ich versteh dich sehr gut. Und nun schau nach deinem Rupert und dem Gesellen. Später treffen wir uns hier wieder.«
Georg Truchsess von Waldburg war mit den Herren längst schon vom Strafgericht vor der Marienkapelle zum Platz beim Rennweg weitergezogen. Nur auf die Häupter der Edlen lachte die Sonne nieder, den Verängstigten im stählernen Dornenkranz aber verbrannte sie allen Mut, blendete Augen und verdorrte die Lippen. Das Gerücht war vom Judenplatz herübergeflogen: »Vierundzwanzig sind geköpft worden. Gefragt wird nicht lange. Und wer sich verteidigt, den stechen sie mit ihren spitzen Stöcken in den Bauch und den Rücken, bis er schweigt. Weil der Henker kein langes Gerede will bei der Arbeit.«
Magdalena hatte Rupert und Tobias gleich entdeckt. Weit hinten, fast schon in Reichweite der langen Spieße, standen die beiden eng beieinander. Doch die Gruppe der Männer aus den umliegenden Dörfern war klein, viel kleiner als die vor dem Dom. Das sind kaum mehr als hundert, dachte sie, da ist jeder leicht zu sehen.
»Du!« Das Wort fuhr aus dem Rachen des Truchsess’ und traf wahllos Schuldige und Unschuldige. Seine roten Wölfe schlachteten gleichzeitig, die Opfer wurden ihnen von den Landsknechten zugetrieben, wer sich nicht freiwillig hinkniete, dem halfen die Henkersknechte mit Tritten auf den Boden; wer vor Angst hin und her schwankte, dem legten sie Schlingen um den Kopf und zerrten von zwei Seiten, weil der Henker für den Hieb keinen unruhigen Hals wollte. Längst quollen die Körbe über, lagen die ausblutenden Leiber in Haufen übereinander.
»Ich frage nur einmal! Und kommt der Schuldige nicht freiwillig oder er wird mir nicht von anderen sofort hergeschickt, so nehme ich zehn von euch dafür.« Der Feldhauptmann ließ eine kurze Pause, dann forderte er: »Wer hat geholfen, das Schloss zu beschießen? Vortreten!«
Ehe Magdalena die Frage ganz begriff, rief einer: »Der hier war dabei. Der hat Kugeln getragen.« Gesichter wandten sich um, mehr und mehr Finger zeigten in dieselbe Richtung. Ein Stich traf Magdalena, schmerzte bis tief in den Bauch. Die Männer zeigten auf Rupert.
»Nach vorn mit dir.« Er
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