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Riemenschneider

Riemenschneider

Titel: Riemenschneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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Geschützmeister. »Sofort nachladen!«
Wieder brannten die Lunten, und wieder und wieder hallte der Donner über Königshofen, acht Salven feuerten die Bauernhaufen dem Feind entgegen und brachten das Fußheer zum Stehen.
Schreie gellten von den Wagen her. Die schnellen Reitertrupps waren den Berg hinaufgaloppiert. Mit Todesmut warf sich ihnen ein Fähnlein entgegen und wurde von den geübten Kämpfern sofort niedergestochen, das zweite starb in den Klingen der langen Lanzen, das dritte …
»Sie brechen durch.« Georg Metzler befahl: »Dreht die Geschütze. Zielt auf die Reiter! Die Reiter!«
Und während die schweren Gestelle von den Tapferen herumgewuchtet wurden, stiegen die obersten Feldherren vom Turm, sie hatten sich nicht abgestimmt und doch das gleiche Ziel. Im Eilschritt liefen sie auf der Rückseite des Berges zu den noch nicht umkämpften Wagen. Schnelle Schnitte durchtrennten die Lederriemen, und beide Führer spannten je eines der Zugpferde aus. Ohne Sattel schwangen sich Hipler und Metzler auf und jagten davon.
»Bringt euch in Sicherheit!« Ein Hauptmann hatte die Flucht bemerkt, gab dem anderen ein Zeichen, mehr und mehr Befehlshaber verließen ihre Fähnlein, ließen die verzweifelt Kämpfenden im Stich, jeder nahm sich einen Gaul und floh den obersten Feldherrn hinterher.
Nach kaum einer Stunde hatten die Reiter den Berg erobert, alle Geschütze waren ihnen in die Hände gefallen. Darauf ließ Georg Truchsess von Waldburg zur Jagd blasen. Seine Fußtruppen stürmten durch die Tauber, wälzten sich den breiten Talkessel hinauf. Vom Turmberg trieben ihnen die Reiter das Wild zu. Und der Tod schwang die Sense. Am frühen Abend wateten die Schlächter im Blut, in einer langgezogenen Kette stapften sie über das Feld und suchten nach Bauern, die sich zwischen die Leichen gelegt hatten, sich totstellten, um so vielleicht zu überleben.
Doch für jeden bei der Nachlese gefundenen Gegner gab es einige Schillinge zusätzlich! Entdeckten die Landsknechte einen der Zitternden, so schnitten sie ihm unter lautem Gegröle die Geschlechtsteile ab, stopften den Beweis in die mitgeführten Säcke, dann erst stachen sie dem Schreienden in die Kehle.
Der Bauer aus dem Neckartal hatte sich unter drei reglosen Leibern versteckt, wollte so liegen bleiben, bis es Nacht wurde. Jetzt hörte er die Meute näher und näher kommen. »Herr, erbarme dich meiner!«
Gott aber sah an diesem Tag nicht auf das Feld bei Königshofen. Die Schlächter fanden den Neckartaler und mit ihm noch mehr als vierhundert Ängstliche. Und sie fanden großen Spaß an ihrer blutigen Arbeit.
Spät abends meldete der Adjutant seinem Oberbefehlshaber den Erfolg. Georg Truchsess von Waldburg nahm einen tiefen Schluck. »Viertausend Tote in nur drei Stunden?« Zufrieden wischte er sich den Wein aus dem Schnauzbart. »Das war ein guter Tag heute.«

31

D ie Männer sollten essen, gut und viel essen. In der Küche schlug Magdalena ein Ei nach dem anderen ins Mehl, zählte laut und hielt erst bei zwölf inne. Sie hockte sich auf den Schemel, nahm die Schüssel in die Stoffmulde zwischen den Oberschenkeln und begann mit dem Holzlöffel gleichmäßig zu rühren, gab Milch und Salz dazu; als der Teig sämig wurde, blickte sie zu den Mägden hinüber. »Was ist? Wird’s bald! Ich will den Speck in dünne Streifen geschnitten haben. Und dass ihr mir ja die große Pfanne gut einfettet.«
Beim ersten Morgengrauen des 8. Juni war Magdalena in die Dachkammer der Mädchen gekommen, hatte sie unsanft aus den Träumen gerissen und ihnen nicht einmal Zeit zum Räkeln und Gähnen gelassen. »Runter mit euch. Schürt das Feuer an. Holt Wasser!« Mit Händeklatschen hatte sie die noch Müden vor sich hergescheucht.
Der Tag war da; wie oft von ihr in den letzten Wochen herbeigesehnt, wie oft um ihn gebetet. Frieden. Endlich kein Geschützdonner mehr, keine betrunkenen Bauern mehr, die grölend nachts durch die Straßen zogen. Heute, am Donnerstag nach Pfingsten, ergab sich Würzburg kampflos dem obersten Befehlshaber der bündischen Heermacht, und die Bürger legten ihr Schicksal auf Gnade und Ungnade wieder in die Hand ihres Fürstbischofs Konrad. Alle Vorbedingungen waren erfüllt. Sämtliche Waffen, von Dolch, Handrohr, Spieß und Hellebarde, von Degen, Schwert und Harnisch bis hin zu den kleinen und großen Geschützen waren abgegeben und zum Schloss hinaufgeschafft, die Kettensperren in den Straßen und Gassen aus den Verankerungen gerissen und auch der

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