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Riemenschneider

Riemenschneider

Titel: Riemenschneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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selbst wenn diese gar nicht der Zerstörungswut anheimgefallen waren. Die Auflagen, die finanziellen Wiedergutmachungen auch an die Klöster würgten und verarmten das Volk. Auf ganzer Linie hatten Adel und Geistlichkeit gesiegt.
Und in den Straßen schwelgten die Landsknechte. Ihr Gewinn war groß, doch auch ihre Gier nach Wein und Weib. So versoffen, verhurten und verspielten sie ihren Blutlohn. Vor allem die Hurenhäuser und Spielhöllen der Freien Reichsstadt Nürnberg florierten. Und dort lockte Florian allabendlich die Betrunkenen ins Hinterzimmer. »Ein kleines Würfelspiel gefällig?« Am Tisch unter der Öllampe wartete Hans Bermeter. »Setzt euch, Freunde. Nun setzt euch nur.« Mit gewinnendem Lächeln zeigte er seinen Opfern die drei Würfel. »Jeder hat die gleiche Chance. Nur das Glück entscheidet …«
Der leichte Wagen holperte durch die Franziskanergasse. Vornweg ritten zwei Hauptleute der bündischen Truppen. Gelb und rot gefärbte Straußenfedern wippten an den Hüten, Blumen und Perlen verzierten die Wölbungen über der Männlichkeit, und farbenprächtige Ornamente prangten auf den vielgeschlitzten Hosen; ihre Stulpenstiefel waren aus feinstem Leder gefertigt, und das Zaumzeug der Rösser blinkte. Vor dem Hof Wolfmannsziechlein hielten sie an, hinter ihnen zügelte auch der Kutscher das Pferd, sprang vom Bock und half der Dame aus dem Wagen.
»Danke.« Gretelein rückte ihr Hütchen zurecht. Zum ersten Mal seit Ostern, seit Beginn der Unruhen, war die Gemahlin des Bildschnitzers zurück von Ochsenfurt in die Stadt gekommen. Sie trug einen leichten hellblauen Schultermantel über ihrem gleichfarbigen, an den Ärmeln luftig gebauschten Kleid. »Bald bin ich wieder zurück.« Sie winkte den beiden Kavalieren zu. »Bewacht so lange das Haus«, sie schenkte ihnen ein Honiglächeln, »Ihr, meine Beschützer«, und entschwand durch die Pforte im hohen Tor.
Beim Anblick der Särge rechts und links der Einfahrt, der Trümmer und Schuttberge im Hof schrie sie vor Entsetzen hell auf. Gretelein floh zur Haustür hinüber, eilte durch den Flur und wich auf der Küchenschwelle erschrocken wieder einen Schritt zurück. »Wer … wer seid ihr?« Jetzt glaubte sie, die Erste Magd zu erkennen. »Bist du es?«
»Nein, Herrin.« Magdalena deutete auf die drei Mädchen. »Wir alle sind hässliche alte Weiber geworden.«
»Das versteh ich nicht.«
Magdalena hob die Brauen, dachte, du blödes Schaf, und sagte: »Wir haben uns vermummt, weil es für eine normal gekleidete Frau in Würzburg zurzeit zu gefährlich istundfür herausgeputzte erst recht. Deshalb würde ich Euch raten, auch etwas …« Sie unterdrückte den aufpulsenden Zorn. »Besser, Ihr zieht Euch etwas Unauffälligeres an. Ich könnte Euch ein paar Lumpen heraussuchen.«
»Um Himmels willen, nein. Nicht nötig. Mutter hat mir zwei Beschützer mitgegeben, mir geschieht schon nichts.« Bekümmert schüttelte Gretelein den Kopf. »Oje. Mein Gatte war ein Freund der schlimmen Bauern, hat Mutter mir erzählt. Aber dass er hier alles hat so verkommen lassen, das wusste Mutter nicht. Ach, das schöne Haus. Wenn ich das erzähle.«
»Was wollt Ihr hier?« Magdalena verschärfte den Ton. »Seid Ihr gekommen, um hier auf Euren Gemahl zu warten?«
»Aber nein, nein. Das wäre zu traurig, sagt Mutter. Weil das Bärlein doch so böse war, dass es vielleicht gar nicht mehr freigelassen wird oder erst in vielen Jahren. Und so lange mag ich nicht warten. Weil ich sonst alt werde, meint Mutter.«
Nur mühsam konnte Magdalena an sich halten. »Was also führt Euch her, Herrin?«
»Ein kurzer Besuch.« Vertraulich näherte sie sich. »Ich habe den beiden schmucken Hauptleuten gesagt, sie sollten warten. Und gleich begleiten sie meinen Wagen wieder zurück nach Ochsenfurt. Mutter hat ihnen Sold bezahlt.« Sie seufzte, und ihre Augen blitzten vor Klugheit: »Weißt du, so zwei starke Männer an der Seite, das gibt ganz schön Sicherheit in diesen unsicheren Zeiten. Das meint Mutter auch.«
»Dann gute Reise!«
»Nein, nein. Halt, so schnell nun doch nicht.« Sie trippelte bis dicht vor Magdalena hin, ein Blick über die Schulter zu den Mägden, dann wisperte sie: »Geld. Ich benötige Geld. Mein Bärlein war immer ein großzügiger Mann zu mir. Ich kann ja nichts dafür, dass er jetzt im Kerker sitzt. Aber Mutter meint, er ist mein Ehemann, und im Kerker braucht er doch nicht mehr so viel, und deshalb wollte ich mir ein paar Säckchen Gulden aus der Truhe abholen.« Sie

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