Riemenschneider
unwillig an den Ärmeln seiner Kutte. »Ich bin nicht für Recht oder Unrecht zuständig, sondern nur für dein Seelenheil. Und jetzt beuge dich in Demut, auf dass wir beginnen können.«
Til sah sich selbst zu, wie er niederkniete. Das bin nicht ich, dachte er und hörte sich sprechen: »Großer Gott und Herr, ich bereue …«
»Das genügt schon.« Der Blick sah über ihn hinweg. »Hiermit spreche ich dich los von all deinen Sünden.« Der Beichtvater schlug das Kreuz: »In nomine Patris et Filii et Spiritus Sancti. Amen.« Er wandte sich ab und eilte über den Schlosshof davon.
»Weiter!« Das Rucken der Halsschlinge zerrte Til aus der Benommenheit. Für sie bin ich nur ein Stück Vieh auf dem Weg zur Schlachtbank. O Gott, hast du das gewollt? Er sah sich in der Werkstatt, sah, wie er den Christus auf das Kreuz legte und mit Schraubnägeln die Hände befestigte. Aber ich bin nicht wie er. O Herr, ich habe Angst, nur entsetzliche Angst … Til stolperte, doch seine Wächter fingen ihn auf.
In einer Nische der Nordmauer wartete der rote Wolf neben der Richtstätte, ein runder Platz, ausgelegt mit geschichtetem Stroh. Breitbeinig stand er da, das Schwert vor sich aufgestellt. Seine Knechte nahmen das Opfer in Empfang und führten es in die Mitte des Kreises. »Runter mit dir!«
Til war zu langsam, und sie traten ihm in die Kniekehlen, er stürzte, schrie auf, als seine Arme nach hinten gerissen und ihm die Hände gebunden wurden. Mehr und mehr nahmen die Stiche in den Schultergelenken wieder zu. Er keuchte, brüllte.
Die Knechte kümmerte es nicht. Einer packte seine Ohren, so hielt er den Schädel, während der andere ihm mit dem Messer das Haar büschelweise vom Hinterkopf schnitt und seinen Nacken ausrasierte. Zum Abschluss banden sie ihm ein Tuch vor die Augen. »Wir sind so weit, Meister.«
Til hörte das Brechen des Strohs unter den Füßen seines Henkers … Er sah Magdalena am Bach die Wäsche schlagen. Sie wandte sich um. Ihr Blick war der Anfang … Er vernahm das metallene Schaben, mit dem die Klinge aus der Scheide glitt. Gott, sei mir gnädig …
»Im Namen seiner Gnaden, Fürstbischof Konrad, wird dieser …«
»Halt! Wartet! Nicht vollstrecken! Befehl von oben. Da sind noch Zweifel …«
Stille. Nichts.
Dann Gelächter, es brach wie ein Sturm über Til her, das Tuch wurde ihm von den Augen gerissen, über ihm lachende Fratzen, Hände patschten seinen glatt geschabten Nacken. »Seht nur, wie blöde er uns anstiert.«
Die Anspannung wich, Til sank in sich zusammen, fiel auf die Seite. Da sah er die roten Schuhe des Scharfrichters vor seinem Gesicht. »Dieses Mal war es nur ein Spaß. Aber mein Freund, ich werde dich köpfen, sei ganz sicher. Heute nicht. Vielleicht aber morgen? Oder übermorgen? Immer wieder lasse ich dich herbringen, und du wirst nicht wissen, ob dein Ende da ist. Also halte dich stets bereit, denn meinem Schwert ist jeder Zeitpunkt recht.«
Til schwieg. Mühsam tappte er zwischen den Wächtern zurück in den Kerker. Sie lachten immer noch, erzählten sich von seiner Angst, von seinen Schreien, und ihr Vergnügen steigerte sich noch.
Zurück in der Dunkelheit, hockte Til nur da. Der Freund saß bei ihm und fragte nicht.
Das Strafgericht zog durch Franken und hinterließ eine breite Blutspur im gesamten Hochstift, hinterließ rauchende Trümmer, weinende Kinder und Frauen, denen Vater und Mann genommen waren. Keinem Ort, keiner Stadt wurde Nachsicht oder gar Schonung zuteil. Hoch zu Ross ritten Bischof Konrad und der Schlachtmeister Georg Truchsess von Waldburg an der Spitze der bündischen Truppen.
»Welch ein Triumph!« Abend für Abend tranken sich die Herren zu. Und als der oberste Hirte am Freitag, dem 21. Juli, von seiner Rundreise zurückkehrte, stapelten sich auf seinen Trosswagen ungezählte Fässer gefüllt mit Wein oder Bier, Früchte häuften sich, und unter den Planen, sicher vor dem Wetter geschützt, standen kunstvoll gearbeitete Möbel und Kisten mit Silbergeschirr.
Welch blutige Augenweide lag hinter ihm. An 256 Hinrichtungen hatte sich der Landesvater erfreuen dürfen und war des Schauspiels immer noch nicht überdrüssig …
Auch vergaß er in seiner Güte nicht die Getreuen, auch sie sollten Genugtuung für die Tage der Furcht erhalten. Gern gab er dem Drängen der Ritter nach. Vor allem verlangten die früher fast schon Verarmten nun Entschädigung. Auf Kosten der Bauernschaften und der am Aufruhr beteiligten Städte ließen sie ihre maroden Gemäuer wieder aufbauen,
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