Riemenschneider
Willens, seiner fürstlichen Gnaden wieder untertänig zu dienen, haben sich alle Bürger am Mittwoch, dem 9. August, Glock sieben Uhr im Katzenwicker einzufinden. Dort sollen sie seiner fürstlichen Gnaden aufs Neue Erbhuldigung schwören …«
Unvermittelt legte Jörg dem Altgesellen den Arm um die Schultern, drückte ihn an sich. »Es ist vorbei.«
Tobias kratzte heftig im angegrauten Haar. »Das Leben beginnt wieder. Bald glaub ich’s wirklich.« Sie sahen sich an, leise war ihr Lachen, behutsam, noch so zerbrechlich erschien ihnen das Glück. Dann aber stockten sie zur gleichen Zeit. Beide blickten hinauf zum Marienberg. »Und er?«, flüsterte Tobias. »Was ist nur mit dem Meister?« So gewaltig erhoben sich die Mauern, so unnahbar stand das Schloss über der Stadt.
Die Besatzer waren abgezogen, und niemand hatte ihnen zugewinkt, schweigend starrten die Bürger ihren Peinigern nach. Erst als auch die letzten Wimpel in den Horizont getaucht waren, ballten viele Männer im Schutz der Kleiderfalten die Fäuste, für offene Drohungen und Verwünschungen fehlte ihnen der Mut.
»An die Arbeit!« Magdalena wollte, dass der Hof so rasch wie möglich wieder vom Schutt gesäubert wurde. Sie selbst und auch die Mädchen fassten mit an. Nach zwei Tagen kratzten die Besen den letzten Dreck zusammen. »Und nun: Schluss mit den hässlichen Weibern!« Sie stellte den Seifentiegel neben die Bürsten. »Schrubbt euch gegenseitig. Zeigt mir, dass ihr wie Engel aussehen könnt.«
Am Sonntagabend dann saßen Magdalena und die jungen Frauen in der Küche auf Hockern nebeneinander mit dem Rücken zur Herdstelle. Während das gewaschene Haar am Feuer trocknete, schlürften sie honigsüße Milch, und dazu hatte die Haushälterin zur Feier des Tages Mandelplätzchen aus ihrem geheimen Vorrat verteilt.
Dienstagmorgen gingen heftige Schauer nieder, begleitet von fernem, lang anhaltendem Donnergrollen; das unruhige Wetter hielt über den ganzen Vormittag. Magdalena war mit der gefalteten Wäsche auf dem Weg nach oben, ohne es zu wollen, zögerte sie, nahm die Stufen langsamer. Wie hingezogen trat sie im oberen Flur ans Fenster.
Eine Kette zersprang. Wärme durchflutete das Herz. Unten im Hof stand eine gebeugte Gestalt, reglos stand sie da. Der Regen verwandelte sich in fallende Blütenblätter, wurde wieder Regen. »Du bist zurück.«
Die Wäsche entglitt den Händen, Magdalena lief zur Treppe, musste achtgeben, nicht zu stürzen, hastete nach draußen und blieberst dicht vor ihm stehen. Sie umarmte ihn mit dem Blick, wagte nichts zu sagen, jedes Wort schien ihr zu gering.
Er hob den Kopf; Augen und Nase entzündet, ein schmutziggrauer, verfilzter Bart überwucherte sein Gesicht, so rissig und verkrustet waren die Lippen. »Du hast gewartet.« Mühsam hob er den Arm und berührte ihre Wange. »Ich habe daran geglaubt. Jede Nacht … jede Stunde.«
Magdalena hielt seine Hand fest. »Alle Angst ist vorbei«, flüsterte sie. »Kommt, Herr. Kommt zu mir nach Hause!«
Nur langsam vermochte er ihr zu folgen. Die drei Stufen zur Haustür bereiteten Mühe, und sie stützte ihn. »Es sind die Füße«, entschuldigte er sich. »Ohne die Hilfe von Martin Cronthal hätte ich den Weg vom Schloss hinunter nicht geschafft.«
Das Glück breitete sich rasch im Wolfmannsziechlein aus. Vom Dachboden, aus dem Stall und der Scheune kamen die Mädchen gelaufen, neugierig umstanden sie den zerlumpten Meister. Doch Magdalena erlaubte keine Frage, keine langen Gespräche. »Der Herr soll sich erst erholen.« Auch Jörg und Tobias mussten sich fügen, sofort nach der Begrüßung schickte sie die Männer in die Waschküche. »Bringt den großen Zuber rauf und stellt ihn hier neben die Herdstelle.« Von den Mägden ließ sie Wasser heiß machen, und als der Bottich gefüllt war, schickte sie alle drei wieder hinaus an die Arbeit.
»Ihr müsst Euch nun entkleiden. Oder soll ich helfen?«
Til saß auf dem Hocker und schüttelte unmerklich den Kopf. Der angewärmte, mit Wasser verdünnte Wein hatte ihn etwas gestärkt. »Ich sollte vielleicht erst noch einen Schluck trinken.«
Sie bemerkte sein Zögern und lächelte leicht. »Erinnert Ihr Euch noch an eine junge Frau, die sich schämte, vor Euch die Kleider abzulegen? Und doch ist sie Eure Eva geworden.«
»Es ist nur, weil mein Körper verschmutzt … Neun Wochen kleben an mir.«
»Ich wasche alles ab, Herr.« Sie kauerte sich vor ihn hin, sah voller Wärme in das geplagte Gesicht. »Und … und wenn ich darf, werde
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