Riemenschneider
herunterhingen und ein Kissen unter dem Lumpenkittel ihren Rücken mit einem Höcker verunstaltete. Wie ein Hauptmann kontrollierte sie die Aufmachung ihrer Haustruppe, entdeckte dort noch eine Spange, noch einen Steckkamm. »Verflucht, jeder Schmuck kann euch ins Unglück stürzen. Ihr seid ab jetzt hässliche Weiber. Kein Kerl darf noch einen Blick auf euch werfen wollen. Habt ihr mich verstanden?«
Die Mädchen nickten zwar, ihre Blicke aber verrieten, wie wenig sie von der Notwendigkeit dieser Verkleidung überzeugt waren.
Magdalena hob den Finger: »Es wird sich nicht mehr gewaschen. Stinken sollt ihr …« Gleich schränkte sie ein. »Gut, falls es zu arg wird, sag ich es euch. Nur wenn die Söldner sich vor uns ekeln, nur dann können wir uns vor ihnen retten.«
Die Tarnung half. In der ersten Woche der Einquartierungen waren täglich Fremde in den Hof gekommen, hatten sich umgesehen und waren von den Särgen und den Trümmerhaufen abgeschreckt worden, jetzt, nach mehr als einem Monat, verirrte sich nur noch selten einer hierher. Umso mehr aber hatte Magdalena Mühe, die Vorsicht bei den Mädchen wachzuhalten. Wenn jetzt nach so langer Zeit irgendeiner die Täuschung durchschaute, würde sicher gleich eine ganze Horde über das Wolfmannsziechlein herfallen. »Dann verwüsten sie alles hier. Und keine von uns wird verschont.«
Dem Landsknecht war der Kopf auf die Brust gesunken. Magdalena wollte ihn vom Fenster aus anrufen, entschloss sich anders und verließ wenig später die Haustür. In der Hand hielt sie eine geschälte Zwiebel. »He, hast du Hunger?«
Der Fremde schreckte hoch, starrte ins grauschmierige Gesicht, glaubte nicht, was er sah, und wich mit dem Oberkörper zurück. »Wer … Wo kommst du her?«
Magdalena kratzte ausgiebig in den fettigen Haaren, als suchte sie nach lästigem Ungeziefer. »Ich wohne hier.« Sie grinste und fragte geschäftig. »Einen Sarg? Du willst doch einen Sarg kaufen? Wie groß soll er sein?« Mit dem Blick schätzte sie den Söldner ab. »So für deine Größe? Ja, die haben wir vorrätig.« Damit ging sie zu den gestapelten Totenkisten in der Einfahrt.
»Halt. Wieso für mich?« Ernüchtert stolperte der Mann hinter ihr her. »Ich brauch keinen Sarg.«
»Ist mir gleich, für wen der ist. Er kostet sechs Schillinge. Du kannst ihn gleich mitnehmen.«
»Bist du taub, Alte?« Der Landsknecht rieb sich die Stirn. »Verflucht, ich will keine Kiste.«
Jetzt wölbte Magdalena den Buckel und funkelte ihn an. »Keine, sagst du? Und warum streunst du hier auf meinem Hof rum? Willst wohl betteln oder stehlen?« Sie streckte ihm die Zwiebel hin. »Da nimm, wenn du Hunger hast. Mehr hab ich nicht. Nun zier dich nicht.«
Ihre Nähe bedrängte. »Weg … weg damit.« Am Ende des Halbdunkels lockte der helle Spalt der angelehnten Pforte. Rasch ging er darauf zu und fluchte vor sich hin: »Verdreckte Hexe, bleib mir ja vom Leib!« Ohne sich noch einmal umzudrehen, floh der Landsknecht nach draußen und schlug die Pforte hinter sich zu.
»Nichts lieber als das«, seufzte Magdalena und bekreuzigte sich. »Dank sei dir, Heilige Mutter.«
Am nächsten Morgen, die drei Mägde schliefen noch, war Magdalena nur mit dem dünnen Hausmantel bekleidet in die Küche hinuntergegangen, hatte die Herdglut von der Asche befreit und legte frische Scheite nach. Hinter ihr klappte leise die Tür, erschrocken fuhr sie herum.
Hans und Barthel standen da, angekleidet, die weichen Kappen übers rechte Ohr gezogen, und in der Hand trug jeder sein geschnürtes Bündel. Und noch etwas war mit ihnen in den Raum gekommen, Magdalena spürte das Fremde, wusste es nicht einzuordnen. »So früh …?«, fragte sie vorsichtig. »Aber der Brei ist noch nicht warm.«
Die beiden sahen sich an, verlegene, beinah schuldbewusste Blicke, keiner antwortete. »Setzt euch doch!« In der Bewegung erlahmte ihre Geste.
»Wir wollen fort.« Barthel nahm die Mütze ab, sofort tat es ihm der Bruder nach und setzte hinzu: »Heute … Ich mein, jetzt gleich, sobald die Tore geöffnet werden.«
Verrat, dachte Magdalena, und das Wort schmerzte, die Söhne verraten den Vater. Sie ging zum Tisch und sank auf den Hocker. Eine Weile starrte sie vor sich hin. »Ihr wollt also alles hier im Stich lassen? Und gerade jetzt, da der Meister im Kerker liegt?«
»Das ist doch kein Leben mehr. Wir halten es hier einfach nicht mehr aus. Deshalb.« Hans zerknautschte die Kappe in der Faust. »Überall ist es besser.«
»Wo …?« Trauer dehnte sich in ihr
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