Riemenschneider
zwinkerte Magdalena zu. »Schau nicht so sorgenvoll, ich bring das Geld sicher nach Ochsenfurt. Unter dem Rock …« Ein Kichern perlte. »Und außerdem bewachen mich die beiden Hauptleute.«
Magdalena schloss die Augen, atmete mehrmals tief ein und aus, schließlich strich sie mit beiden Händen gründlich ihr Kittelkleid an den Seiten glatt. »Ich verstehe, Herrin. Nur habe ich die Geldtruhe in ein neues Versteck gebracht. Wegen der Plünderer. Ihr versteht.«
»Aber ja.« Gretelein nickte eifrig. »Du bist eben immer schon eine kluge Haushälterin gewesen. Das sagt Mu …«
»In der Nähstube«, schnitt ihr Magdalena das Wort ab. »Kommt mit!« Schon ging sie voraus zur Treppe.
Oben, in der entlegensten Ecke des Hauses, ließ Magdalena der jungen Frau den Vortritt. Sorgfältig schloss sie die Tür, dann wandte sie sich um. »Ich wollte Euch etwas Wertvolleres als Goldmünzen geben.«
Gretelein strahlte. »Wirklich? O dieses Bärlein, dieser Schlimme. Hat er mir etwa ein Schatzkästlein verheimlicht. Perlen oder sogar Schmuck? Zeig sie mir, bitte!«
»Ich muss wohl.« Magdalena trat näher, und ehe Gretelein begriff, traf sie eine schallende Ohrfeige, gleich die nächste, das Hütchen flog davon, wie im Sturm schwankte das blonde Köpfchen hin und her, noch dreimal schlug Magdalena der Herrin rechts und links auf die Wange.
Erst spät setzte erstauntes Wimmern ein, Tränen kullerten. »Aber das darfst du nicht … Ich bin doch die Hausfrau hier.«
Heller Zorn sprühte Magdalena jetzt aus den Augen. »Ein für alle Mal: Verschwinde nach Ochsenfurt! Ich will dich hier nicht mehr sehen. Und wage nie, hörst du, nie mehr, nach Geld zu fragen.«
»Aber ich sollte doch …«
»Bestell deiner Mutter, dass nichts mehr bei uns zu holen ist. Ihr gierigen Weiber kommt zu spät. Die Plünderer haben uns längst schon alles weggenommen. Sag ihr das.« Magdalena riss die Tür auf. »Und jetzt raus. Verschwinde!«
Beide Hände schützend am Köpfchen, drückte sich die Geschlagene vorbei. Magdalena blieb ihr auf den Fersen, durch den Hof bis zum Tor. Noch einmal drehte sich Gretelein um. »Mein Hut ist …« Sie sah wie die Hand sich hob, schluchzte ängstlich auf und verschwand eilig durch den Torspalt.
Magdalena griff sich ans Herz, seufzte, als fielen ihr Steine von der Brust. »Das tat gut.« Auf dem Rückweg zum Haus bestätigte sie es nachdrücklich: »Wirklich. So wohl war mir schon lange nicht mehr.«
Die Glocke des Ausrufers drängte, rief in der Franziskanergasse: »Versammelt euch, ihr Leute! Rasch. Versammelt euch!« Schon war der Bote weitergeritten, schlug seine Glocke in der nächsten Straße, am nächsten Winkel. »Versammelt euch … Versammelt euch!«
Jörg und Tobias banden ihre Schürzen ab, verließen die Werkstatt und eilten auf den Markt vor dem Dom. Aus allen Richtungen näherten sich die Bürger. Graue, eingefallene Gesichter, ihre Blicke sprachen von Entbehrung, abgestumpfter Gleichmut.
Über ihnen thronte, aufrecht im Sattel, der bischöfliche Herold. Zwei Bewaffnete sorgten mit gesenkten Spießen dafür, dass niemand ihm und dem Pferd zu nahe kam. Endlich befand er die Menge um sich herum groß genug und entrollte das Pergament: »Hört! Hört! Seine Gnaden, den hochwürdigsten Fürsten und Herrn, Herrn Konrad Bischof zu Würzburg, dauert das Schicksal der Stadt, und er zeigt Erbarmen mit den Bürgern und Untertanen. Aus diesem Grunde will er …«
Eine neue Verfassung! Gesetz und Recht sollten wieder herrschen. Die Sätze verschmolzen zu Harfen- und Zimbelklängen, verwundert wachten die Mienen der Zuhörer auf.
» … Am morgigen Samstag werden alle Fußknechte, die seine fürstlichen Gnaden zur Sicherheit hat in die Stadt legen lassen, sie werden morgen bei Tagesanbruch mit ihren Hauptleuten abziehen …«
Raunen hob sich, Seufzer der Erleichterung entrangen sich der Menge. Die Einquartierungen hatten ein Ende. Erst schwach wie ein Schimmer, dann hell und heller leuchtete das Begreifen in den Augen. Keine Willkür, Plünderung und Rohheit mehr, Mädchen und junge Frauen waren nicht länger Freiwild, in der Nacht zogen keine grölenden Horden mehr durch die Straßen und schlugen wahllos Fenster und Türen ein.
»Hoch!« Wer den zaghaften Ruf abgegeben hatte, war nicht auszumachen, doch fand er da und dort in der Menge sein Echo. »Hoch! Hoch, unserem Herrn!« Bald schon verkümmerte der spärliche Jubel wieder, doch Helligkeit blieb in den Mienen.
» … Zum Zeichen der Gehorsamkeit und des guten
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