Riemenschneider
Stelle und trat ihm mit dem nackten Fuß in den Hintern. Die Wucht warf den Knappen nach vorn, dass er mit der Stirn gegen das Bettgestell prallte und zu Boden fiel. »Das ist gut gegen Dummheit, Schlaukopf.« An den Haaren riss ihn der Ritter wieder auf die Beine, zog ihn nah an sich heran. »Da ist ein Schneider aus Stuttgart nach Köln gezogen. Ein guter Büchsenschütze. Beim Preisschießen hat er ins Schwarze getroffen. Aber die Kölner haben ihn um den Gewinn betrogen. Und der Schneider bat am Hof von unserm Herzog Ulrich um Hilfe. Und mein Schwager bittet mich, dass ich für den Kerl die Sache regle.« Götz lockerte den Griff nicht, er bog den Kopf des Knappen zurück. »Und ich werde helfen, weil ich nun mal ein Herz für arme und betrogene Schneider habe. Hast du das verstanden?«
»Ja, Herr.«
»Na? War doch nicht schwer.« Der Ritter lachte und gab seinen Knappen frei. »Wenn du willst, lernst du schnell. Und jetzt lass uns die Probe mit dem Schwert machen.«
Während Thoma hinüber zum Waffenreck ging, betastete er die Beule an seiner Stirn, sah das Blut auf der Fingerkuppe und zog bekümmert die Nase hoch. »Und das ist nur der Anfang«, flüsterte er. Sein Blick floh zur Balkendecke. »O Gott, schenke meinem Ritter Vernunft.«
»Was verrenkst du den Kopf?«
»Schon gut, Herr.« Eilig brachte der Diener zwei Schwerter, Gurt und Scheide. »Ich … ich wollte das Blut trocknen.«
»Memme. Ein kleiner Riss, und schon winselst du.« Götz baute sich im Unterkleid breitbeinig auf und wölbte die Brust. »Als mir vor Landshut die Hand weggeschossen wurde, hast du mich jammern hören?«
»Nicht einen Laut, Herr.«
»Das will ich meinen.«
Thoma gürtete den Ritter so, dass die Scheide an seiner rechten Seite hing und reichte ihm das Schwert. Beinah lautlos glitt die beidseitig geschliffene Klinge in ihre Behausung. »Das Einzige, was ich seit dem Unglück wirklich verfluche ist, dass ich mich nicht mehr selbst ankleiden kann.«
»Wieso, Herr? Habt Ihr das denn vorher getan?«
»Kerl …« Der scharfe Ton, dazu ein Stoß gegen die Schulter, warnten Thoma, den Bogen nicht zu überspannen. Eilfertig nahm er das zweite Schwert auf. »Streckt Euern rechten Arm, Herr.« Mit Sorgfalt passte er den Griff an die senkrecht gehaltene offene Handfläche der Prothese, wusste genau, um wie viel der Knauf unten herausschauen musste, endlich zufrieden, bog er den Daumen ein, die Zahnräder beider Gelenke knackten, ebenso drückte er den Zeigefinger so weit nach innen, bis er mit dem Daumen einen festen Ring um den Schwertgriff bildete, gleich folgten die anderen Finger, noch ein Nachdrücken, der kunstvolle Mechanismus hinderte die Zahnräder daran, sich von selbst zu lösen, und die eiserne Faust hielt jetzt das Schwert umklammert. Thoma trat zurück.
Seltsamer Glanz stand in den Augen seines Herrn. »Weißt du? Dieses Klacken … Und wenn die Klinge so aufrecht steht …« Götz sah an sich hinunter. In der Höhe seiner Lenden zeigte sich eine deutliche Ausbuchtung. »Dann überkommt mich jedes Mal ein Gefühl, sag ich dir …« Unvermittelt stampfte er auf sein Bett zu, hob die Waffe mit der Kunsthand, während er einen beinah kraftlosen Schlag ausführte, nur den Bettvorhang streifte, schnellte seine Linke zum Schwert in der Scheide, riss es heraus, zweimal hieb die Klinge auf die hohe Zudecke, Federn wirbelten auf, dann stach er mit einem Grunzschrei tief in die Matratze. Ein Beben ging durch den Körper, gleich entspannte sich der breite Rücken wieder. »So wird’s gemacht! Ich sag’s dir, Junge, auch wenn ich mit der Hand nicht kämpfen kann, aber sie lenkt den Gegner ab.« Ein kehliges Lachen. »Ob ich nun Dolch oder Schwert damit halte, für eine Finte taugt die Hand allemal.«
Die Tür öffnete sich, und Sinterius, das Schreibbrett vor der Brust, betrat den Raum. Götz fuhr herum. »Was erlaubst du dir?« In jeder Faust ein blankes Schwert, so schritt er auf den Eindringling zu. »Wo sind deine Manieren? Glaubst du etwa, wir sind hier im Schweinestall.«
Der Sekretär wich bis zur Wand zurück. »Bitte, Herr, verschont mich.« Als er feststellte, dass sein Leben nicht bedroht war, setzte er mutiger hinzu: »Ich begreife den Unmut nicht, bin mir auch keiner Schuld bewusst, wollte nur melden, dass ich den Auftrag erfüllt habe.«
»Klopfen. Du könntest wenigstens anklopfen, ehe du in meine Gemächer eindringst.« Die Linke ließ das Schwert in die Scheide zurückgleiten, wischte flüchtig über den gesteppten
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