Riemenschneider
sechsundzwanzigjährigen Raubritter noch in seiner Truppe gefehlt, mit Sinterius fühlte er sich für seine künftigen Unternehmungen bestens gewappnet.
Ungeduldig wartete er, bis sich der hoch aufgeschossene junge Mann das Schreibbrett umgehängt und den Federkiel angespitzt hatte. »Ich bin jetzt Feind der Kölner. Setz ihnen einen schönen Fehdebrief auf. Nun fang schon an!«
Nach diesem umfassenden Diktat tippte Götz seinem Knappen mit der linken Faust gegen die Brust: »Thoma, aufgepasst jetzt. Wenn du später selbst mal Ritter bist, dann weißt du, wie’s gemacht wird.« Damit schritt er gewichtig zum Fenster, schaute eine Weile dem geschäftigen Treiben unten im Innenhof der Burg zu, dann blickte er über die Wehranlagen zu den bewaldeten Hügeln hinüber. Tief sog er den Atem ein, als könnte er den Duft der Tannen und Büsche riechen.
»Herr? Wollt Ihr ein langes Schreiben?«
»Ach was. Knapp und gut, das genügt.« Götz wandte sich um. »Hast du den Anfang?«
Sinterius räusperte sich, dann trug er mit wohltönender Stimme vor: »Wisset, Ihr Herren von Köln, und ich wende mich an Bürgermeister, Rat, Gilden, alle Ämter, Bruderschaften und die Bürger der Stadt, dass ich, Ritter Götz von Berlichingen, Euer aller und der Stadt Köln Feind geworden bin und Euch mit diesem Brief die Fehde ansagen will, darum dass Ihr …« Der Schreiber schwieg.
»Sehr schön. Und weiter? Vertrödle meine Zeit nicht.«
»Herr, ich … ich weiß den Grund nicht.«
Götz schnappte den angeknitterten Brief des Schwagers vom zerwühlten Federbett. »Also, es geht …« Er bemühte sich, die richtige Stelle zu finden. »Also, Hofjunker Reinhard schreibt aus Stuttgart …« Der Armstumpf wischte schließlich über das Papier. »Egal. Sag, dass es wegen dieses Preisschießens im letzten Jahr ist. Hier lies selbst, nimm den Brief mit und komm wieder, wenn du das Schreiben aufgesetzt hast. Zweimal brauchen wir es. Und jetzt lass die Feder kratzen, wir dürfen die schöne Zeit nicht vergeuden!«
Götz wandte sich an den Knappen. »Du reitest sofort los und rufst die Männer zusammen. Übermorgen bei Sonnenaufgang hat sich jeder hier voll gerüstet mit Pferd und Packpferd einzufinden. Nein halt, es reicht, wenn du gegen Mittag aufbrichst. Bring mir erst meine Prothese, ich will sehen, ob sie noch taugt.«
Thoma kehrte mit einem Lederbündel zurück, und während er die Schnüre löste, versicherte er: »Nach unserm letzten Streit bei Rothenburg hat der Schmied das verklemmte Zahnrad wieder gängig gemacht.« Er schlug das Ledertuch auf und befühlte den kleinen Finger der eisernen Hand. »Er wackelt auch nicht mehr.«
Sein Herr nahm die eingefettete Prothese und stuppte mit dem bloßen Stumpf gegen den harten Handteller, keiner der gestreckten Finger bewegte sich, er begutachtete die breiten Schuppenreifen der Armstulpe, keine Schlagkerbe, keine Delle, er blickte in die Öffnung, hielt sie so, dass ein Sonnenstrahl hineinfiel, und war endlich zufrieden. »Scheint wie neu zu sein. Komm, Junge, hilf mir!«
Thoma streifte ihm einen mit Katzenhaaren und Kükenflaum wattierten Wollstrumpf über das vernarbte Unterarmstück, dann schob er die Prothese behutsam darüber.
»Etwas mehr nach innen drehen.« Götz half mit der gesunden Hand, bis Elle und Speiche des Stumpfes genau in die Höhlung passten und dem eisernen Kunstwerk Halt gaben. »So geht’s.«
Geübt führte Thoma die Lederriemen durch die Spangen und verengte den obersten Schuppenreif. »Herr? Das mit der Fehde hab ich noch nicht verstanden.«
»Musst du auch nicht.«
»Aber Ihr habt befohlen, dass ich von Euch etwas lernen soll.«
»Das will ich meinen.« Götz winkelte die Prothese an, damit sein Knappe die Halteschnüre leichter am Oberarm befestigen konnte. »Einen besseren Lehrmeister findest du nicht.«
»Dann erklärt es mir.«
»Was?«
»Warum wir ausgerechnet Köln die Fehde ansagen.«
»Verdammter Kerl. Und wenn du auch noch so bohrst. Du bringst mich nicht davon ab.«
Ehe Thoma weiterfragte, brachte er sich vorsorglich außer Reichweite. »Vorhin hab ich gedacht … Also, Ihr könntet ja auch den Brief nicht richtig gelesen haben.«
Götz riss die eiserne Hand zum Schlag hoch, sein Gesicht lief rot an, noch bewegte er sich nicht von der Stelle. »Wieso reiße ich dir nicht deine hässlichen Ohren ab?«
Zu genau kannte Thoma seinen Herrn, deshalb dienerte er jetzt und bat tief gebückt: »Verzeiht Eurem ergebenen Knappen die Dummheit.«
Ungeahnt schnell war Götz zur
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