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Riemenschneider

Riemenschneider

Titel: Riemenschneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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in Bauch und Flanken. Gleichzeitig stieß der Diener gurgelndes Stöhnen aus. Ein Armbrustgeschoss hatte sein Genick durchschlagen, die gezackte Spitze ragte vorn aus dem Hals. Drei Bolzen trafen den Hinterkopf, der Schädel zerplatzte, und im Schwall aus Blut und Hirn erlosch das Menschenantlitz. Eine Ewigkeit lang erstarrte das furchtbare Bild, dann erst begann es sich aufzulösen, dem Torso entglitt die Waffe, das Pferd brach in der Hinterhand ein, dann stürzten beide zu Boden.
Nicht einen Fuß hatte der Ritter zur Seite gesetzt, nicht einen Blick hatte er für den Getöteten, beinah zuvorkommend wandte er sich an die beiden Kaufleute. »Und nun bitte ich Euch abzusteigen.« Order erging an seine Männer: »Weg von der Straße mit ihnen. Bringt sie ins Lager. Und schafft den Unrat beiseite. Wir wollen Reisende nicht unnötig erschrecken.«
Am Rande der Lichtung hatten sich beide Opfer niederknien müssen, die noch vom Grauen gezeichneten Gesichter in den Wald gerichtet. Götz befahl seinem Knappen, nach Geld und versteckten Messern zu suchen. Mit schnellen Fingern brachte Thoma zwei magere Lederbeutel und eine etwas besser gefüllte Geldkatze zum Vorschein.
Der Jüngere zitterte am ganzen Leib. »Eine Fehde?«, flüsterte er. »Davon … davon ist mir nichts bekannt. Ich habe vor unserer Abreise beim Rat nachgefragt. Sonst … sonst hätten Vater und ich doch mehr Männer mitgenommen.«
»Euer Pech.« Zwar liefen die Ohren rot an, aber Thoma wusste, was er zu sagen hatte. »Da hat jemand in Köln gelogen oder nicht genau nachgesehen. Mein Herr trägt die Zweitschrift bei sich. Wenn ihr mit ihm einig seid, wird er sie gewiss zeigen.«
Drei Männer hatten dem Maultier die Körbe vom Rücken genommen. Sie fanden Kleidung, Papiere und außer einer Klistierspritze noch eine Reiseapotheke; auch zwischen den Fläschchen, Pulver- und Pillendosen fand sich kein einziges Wertstück. Mit Schulterzucken und enttäuschten Mienen verständigten sie ihren Anführer.
Götz sprang die Zornader auf die Stirn, er schlug den Knienden die Samtmützen vom Kopf. »Ich frage immer nur einmal. Vergesst das nicht.« Hart zog er ihnen die nach unten gerichtete Dolchspitze über den gebeugten Nacken. Im leichten Ton schwang Kälte mit. »Keine Antwort kostet zwei Ohren, solange der Vorrat reicht. Danach nehme ich mir die Finger.«
Und Angst ließ die Auskünfte sprudeln. Vater und Sohn waren von Köln über Frankfurt auf dem Weg nach Leipzig. Dort im Stapelhaus nahe dem Rathaus lagerten Fässer mit Pelzen aus dem fernen Nowgorod, die sie bei ihrem letzten Messebesuch schon ersteigert und noch nicht abtransportiert hatten.
»Welchen Wert hat die Ware?«
»340 Gulden.« Der ältere Kaufmann wagte den Kopf halb zu drehen. »Wenn Ihr erlaubt, zeige ich Euch den Vertragsabschluss.«
Nach Nennung der Summe heiterte sich die Stimmung des Ritters deutlich auf. »Ich glaube, wir kommen ins Geschäft. Steh auf! Dein Sohn rührt sich nicht vom Fleck.«
Zur Rechtfertigung des Überfalls wies Sinterius zunächst den Fehdebrief vor, dann begutachtete er die Papiere, prüfte Siegel und Unterschriften der Leipziger Partner, fand keinen Fehler und bestätigte: »Nach allem Anschein lagern die Pelze dort, und diese Herren hier sind die legitimen Eigentümer.«
Götz trat dicht vor den Weißhaarigen hin, langsam hob er den rechten Arm; das eiserne Ungetüm so nah vor Augen, erschauerte der Alte, und seine Lippen bebten, als die Klinge ihm die Wange schabte: »Ich flehe Euch an. Ganz sicher seid Ihr ein Ehrenmann, der das Leben eines Unschuldigen verschont.«
»Gewiss, doch nur solange er sich nicht wehrt oder gar angreift. Ihr seht, mir sind die Fehdevorschriften bekannt. Ich will sie auch einhalten. Leider bin ich noch sehr ungeschickt mit der Prothese. Es wäre also ratsam, wenn Ihr Euch nicht bewegt.« Ruckartig kratzte die Schneide nun über die andere Wange.
Eine Weile weidete sich der Ritter an der Furcht, dann sprach er im Plauderton weiter: »Dieser Überfall kostet Euch 300 Gulden. 40 haben wir uns schon aus Euren Taschen genommen. Bleibt ein Rest von 260.«
Trotz der Gefahr seufzte der Kaufmann schwer. »Das ist unser Ruin. Ich wollte mich nach dieser Reise zur Ruhe setzen, mein Sohn sollte das Kontor allein übernehmen. Aber jetzt …«
»Ich warne Euch. Gejammer erhöht die Summe nur. Immerhin habe ich 10 Gulden in Eurem Beutel gelassen. Wie also wollt Ihr die Schulden begleichen?«
»Vertraut mir.« Der Alte schloss die Augen. »Lasst uns nach

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