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Riemenschneider

Riemenschneider

Titel: Riemenschneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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Schein der Kerze. Als der Vater nach tiefen Schlucken den Becher absetzte, nichts fragte, nur ruhig dasaß, wagte Gertrud zu sprechen: »Hat sich damals der Schullehrer bei dir über mich beklagt?«
»Aber nein. Soweit ich mich erinnere, war er sogar voll des Lobes. Weil du so rasch Schreiben und Lesen gelernt hast.«
Gertrud nickte. »Später habe ich Backen, Kochen und Nähen gelernt, war in der Weinlese und weiß, wie Butter gestoßen wird. Und ich weiß, wie ich auf dem Markt einkaufe, und ich kenne jedes Kirchenlied, sogar auf Latein kann ich singen.«
»Kein Zweifel«, jetzt nickte der Vater, »ich habe eine tüchtige Tochter.«
Gertrud sah auf die gefalteten Hände. »Findest du, dass ich hässlich bin?«
»Im Gegenteil.« Til schenkte sich nach. »Du bist mein Kleinod.« Aus ehrlichem Herzen prostete er ihr zu. »Auf dich, meine Schönste.«
»Aber dann versteh ich es überhaupt nicht. Oder du willst …?« Ein Aufschluchzen hinderte sie daran weiterzusprechen.
Sofort wurde Til ernst. »Nun sag mir, was dich quält.«
»Vater, es ist … Ich will keine Nonne werden.«
»Das verlangt auch niemand. Glaubst du etwa, ich schicke meine Tochter ins Kloster? Gegen ihren Willen? Niemals.«
»Aber dann, Vater …« Aufgewühlt wiegte Gertrud den Oberkörper vor und zurück. »Weil ich doch immer älter werde. Verstehst du? Ich … ich will nicht als Jungfer vertrocknen, Vater. Warum verheiratest du mich nicht?« Es war heraus.
Völlig überrascht starrte Til seine Tochter an. »Bist du denn …? Wie alt bist du?« »Alt genug. Lange schon.«
»Hat Mutter dich zu mir geschickt?«
»Sie ist nicht meine Mutter.« Gertrud löste die verkrampften Hände und wischte Krümel, die nicht dort waren, von der Tischplatte. »Um mich hat sie sich noch nie gekümmert.«
»Sprich nicht schlecht von ihr, Kind. Anna ist schwach und leidend, das weißt du.«
»Die Einzige, der ich vertraue, ist unsere Magdalena. Der kann ich alles sagen. Und Magdalena meint, dass du nie was von selbst merkst. Und deshalb sollte ich es dir sagen.«
Til griff nach der Hand seiner Tochter und hielt sie fest. »Verzeih, ich bin wohl ein schlechter Vater. Die Werkstatt, all die Ratssitzungen, darüber habe ich übersehen, dass aus meinem kleinen Mädchen längst eine junge Frau geworden ist.« Unvermittelt neigte er das Gesicht und küsste sanft ihren Handrücken. »Ich verspreche und schwöre es: Du sollst einen guten, fleißigen und ehrbaren Ehemann haben. Und zwar bald. Dafür sorge ich.«

13

G ötz von Berlichingen studierte mühevoll das Schreiben, dabei leckte er die Kuppe des rechten Armstumpfes, und von Zeile zu Zeile wuchs sein Vergnügen, fuhr die Zungenspitze rascher über die bläulich wulstigen Narben. »Was für ein guter Morgen …« Kein Sprechen, eher ein leises durch Laute geformtes Schmatzen, das gleich wieder versank.
Nachdem sein Knappe ihn mit dem Brief des Schwagers geweckt hatte, war er aus dem Bett gestiegen und nackt durchs Schlafgemach zum geöffneten Fenster ans Licht gegangen.
»Endlich.« Mit dem Blatt in der Faust streckte er den linken Arm. »Thoma. Wir werden reiten! Die letzen Wochen haben mir fast den Verstand geraubt. Doch jetzt ist Schluss mit diesem verdammten Nichtstun.« Im Überschwang schlug er dem Leibdiener das Pergament auf den Kopf. »Wir sagen den Kölnern die Fehde an …«
»Köln?« Thoma verschluckte sich an dem Namen, hustete, endlich kam er wieder zu Atem. »Aber, Herr? Das ist eine große, mächtige Stadt.«
»So ist es. Und ich prügele von nun an den Kölner Pfeffersäcken die Goldstücke raus.«
»Dann schicken sie uns ihre Truppen hinterher. Einen Krieg gegen uns … Wir haben doch nur dreißig Bewaffnete. Herr, so was überleben wir nicht.«
»Hat mein Schlaukopf etwa Angst?«
»Nein, Herr.« Die viel zu großen Ohren begannen zu glühen. »Das hab ich oft genug bewiesen. Aber Köln? Das ist doch etwas anderes. Seit Eure Wunde verheilt ist, haben wir nur kleine Fehden gehabt.«
»Hör auf zu jammern. Du bist Knappe und kein Hase. Ich will hier in Jagsthausen nicht versauern. Bring mir meine Kleider!«
Noch im wollenen Unterzeug rief Götz nach seinem Sekretär Sinterius, einem ehemaligen Novizen, der das Probejahr im Kloster abgebrochen und, anstatt des Lebens in frommer Demut und Gebet, den Sattel und, das Schwert gewählt hatte. Geschickter als eine Waffe aber führte er die Feder und wusste wohlklingende Sätze zu formulieren wie auch vorzutragen. Ein Mann mit solchen Fähigkeiten hatte dem

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