Riesling zum Abschied
vielleicht hat er sie sogar geschickt, denn er arbeitet in Ihrer Firma mit. Was verbindet Sie mit Herrn Stern? Wenn Ihr Kollege Dr. Vormwald Stern kennt, dann kennen Sie ihn auch. Nur der ach so arme, von der Jugend verwirrte Professor hat mit Stern nichts zu tun? Sie brauchen nicht zu antworten, Herr Waller. Das kriegen wir auch ohne Sie raus. Und dann habe ich noch eine großartige Nachricht. Freuen |352| Sie sich mit mir, Manuel Stern hat für die Tatzeit ein Alibi ...« Er wiederholte es auf Französisch. »Ist das nicht wunderbar? Ich habe immer gesagt, dass er unschuldig ist.«
Wallers Blick war nicht zu deuten, sein Gesicht blieb ausdruckslos.
»Sie können gehen, Herr Waller, die Spesen übernehmen wir gern, denn die Rechnung, die Sie zahlen, wird weitaus höher sein. Der Wein von Weil ist übrigens klasse, ohne Zweifel, mir ist er allerdings ein wenig zu weich, zu geschmeidig, aber das ist, wie gesagt, lediglich Geschmackssache.«
Ohne einen der beiden jungen Männer nach dieser Brüskierung eines Blickes zu würdigen stand Waller auf. »Das wird Ihnen leidtun!«
»Das tut es schon jetzt, Herr Dr. Waller.«
»Weshalb hast du ihm das gesagt und ihn gleichzeitig weggeschickt?« Pascal sah Waller nach, der den Garten durchquert hatte und in der Ausfahrt verschwand. Regine, die sich kurz an der Einfahrt gezeigt hatte, folgte ihm.
»Weil wir wissen müssen, was er jetzt macht und wem er das erzählt.« Thomas sah auf einmal nicht mehr glücklich aus. »Es ist nicht so positiv, wie ich es eben dargestellt habe«, und er berichtete von dem Keyboard und seinen Speichermöglichkeiten. »Für die Staatsanwaltschaft ist das noch immer kein Entlassungsgrund. Die Polizei sagt, dass Manuel kurz vor dem Mord das Keyboard eingeschaltet haben kann, um sich ein Alibi zu verschaffen. Wir sind also noch nicht am Ende.« Er nahm die Flasche, »so was Edles lässt man nicht stehen«, ging zum Tresen, ließ sich einen Korken geben und zahlte. Dann rannten sie durch die Kirchgasse zu Pascals Wagen. Regine lotste sie per Handy zum Kiliansring, wo Waller sein Auto abgestellt hatte, und sobald Regine zugestiegen war, folgten sie ihm.
Auf dem Rhein-Main-Schnellweg war die Verfolgung |353| schwierig, denn Waller hielt sich selten an die Geschwindigkeitsbegrenzung, und ein Auto, das genauso idiotisch fuhr, fiel auf. Immer wenn Waller langsamer fuhr, telefonierte er, dann holten sie auf, danach gab er wieder Gas. Glücklicherweise behinderte ihn der dichte Verkehr bei der Raserei. Über die A 671 kamen sie zur Abfahrt Mainz-Kastell und fuhren weiter in Richtung Innenstadt.
»Französische Gangster sind einfach besser«, sagte Pascal, als sie auf der Theodor-Heuss-Brücke Schritt fuhren. »Bei uns hätten sie richtig zugeschlagen, die hätten dir keine Kapuzen, sondern Männer geschickt. Ein gezielter Schlag, ein Schuss ...«
»Ich weiß, bei euch überfallen sie die Tankstelle mit der Maschinenpistole statt wie bei uns mit Pfefferspray ...«
»Und deine Johanna wäre längst Fischfutter geworden.«
»Sie ist nicht meine Johanna.«
»
Bêtises
, Quatsch, das sieht doch jeder.«
»Das siehst du Sachen, die ich nicht sehe. Komm mir jetzt nicht wieder mit ›ein Bulle sieht so was gleich‹.«
Regine hatte sich auf dem Rücksitz nach vorn gebeugt, ihr Kopf war fast auf gleicher Höhe von Pascal, der sie immer wieder kurz von der Seite her angrinste, was ihr ausnehmend gut gefiel. Thomas hatte sie nie so locker erlebt.
Pascal fuhr ausgezeichnet, sein mindestens zehn Jahre alter Citroën musste frisiert sein, so schnell wie er anfuhr und überholte. Und allein hätte Thomas Waller längst aus den Augen verloren.
Hinter der Rheinbrücke bogen sie ab und folgten ihm am Ufer entlang bis zum Park. Er führte sie zum »Favorite Parkhotel«, wo er den Wagen abstellte und in den Glaskasten eilte. Es war eines der besten Hotels der Stadt. Thomas schickte Regine vor, um Waller in der Lobby ausfindig zu machen.
»Wenn du mit ihr was anfängst, dann sei fair«, sagte Thomas.
|354| »Bist du ihr Bruder?«, fragte Pascal, aber er verstand, was Thomas ausdrücken wollte, und nickte.
Regine stürzte plötzlich aus der Hotelhalle, schaute sich um, als würde sie verfolgt, und lief direkt auf sie zu. Thomas und Pascal gingen ihr entgegen. Pascal mit der rechten Hand unter der Jacke. War er doch bewaffnet?
»Der hat einen Typen getroffen, der sieht aus wie Manuel«, sagte sie atemlos, »nur dreißig Jahre älter! Ich wette
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