Riesling zum Abschied
ein, was ihm einen zornigen Blick Regines einbrachte.
»Ihr Verhältnis zu Alexandra Lehmann war nicht gerade entspannt zu nennen, wie wir erfahren haben.«
Thomas fuhr auf: »Wer hat das behauptet?«
»Wir ziehen unsere Erkundigungen ein, wo immer wir es für richtig halten, junger Mann.« Altmann verzog keine Miene. »Sie haben mit Herrn Stern eng zusammengearbeitet. Dann werden Sie sicher auch wissen, mit welchen Forschungsvorhaben er befasst war.«
|125| »Das wüsste er, da können Sie sicher sein«, fühlte sich Regine bemüßigt zu bestätigen, »dicker konnte man gar nicht befreundet sein.«
Altmann überging ihren Einwurf. »Waren Sie, Herr Achenbach, über sein Interesse in Bezug auf Forschungsvorhaben zum Einsatz neuer Pestizide informiert?«
»Daran hatte Manuel nicht das geringste Interesse. Wir stellen unseren Betrieb, von dem Sie bestimmt wissen, gegenwärtig auf eine ökologische Produktionsweise um. Wir verwenden nur die Hälfte an Kupfer und Schwefel wie ein konventionell arbeitender Betrieb, ohne geht es nicht – noch nicht – wir setzen auf die Stärkung der Pflanzen, damit sie sich selbst gegen Schädlinge wehren. Trotzdem war Manuel in Chemie große Klasse. Er hat einen Sinn für Prozesse auf molekularer Ebene, genau wie für Musik. Wieso fragen Sie?«
»Seit wann legen Untersuchungsbehörden die Gründe für ihre Fragen offen? Hat er sich für Gentechnik interessiert, für den Einbau von mehltauresistenten Genen in das Genom von Rieslingreben?«
»Wieso Gentechnik? Er war absolut dagegen. Was unterstellen Sie ihm?«
Zum ersten Mal bemerkte Thomas etwas wie Ärger im Gesicht des Staatsanwalts. »Wollen Sie hier Fronten aufbauen, oder wollen Sie Ihrem Freund und uns bei den Ermittlungen helfen?« Altmann blieb unverbindlich.
»So habe ich das nicht gemeint.« Thomas merkte rechtzeitig, dass ein Rückzieher angebracht war. Er fühlte sich durch den Richter geradezu herausgefordert. Es waren nicht seine Fragen, es war seine Art.
»Also?«
»Nein, Forschung, geschweige denn Genetik, war nicht sein Ding.«
»Erstaunlich ...«
»Jetzt habe ich bitte noch eine Frage«, sagte Regine. |126| »Thomas meinte, dass Sie, vielmehr der Kripobeamte, eine angebrochene Flasche Riesling aus unserem Kühlschrank mitgenommen haben. Von welchem Winzer und weshalb?«
Der Richter machte eine lange Pause. Seine Augen ruhten ausdruckslos auf Regine. »Bei einem gewaltsamen Tod wird eine Autopsie vorgenommen, dazu gehört die Untersuchung des Mageninhalts. Es gestaltet sich ein wenig schwierig. Kurz vor dem Tod hat das Mordopfer Wein getrunken, und wir fragen uns, ob es der Riesling war, den wir bei Ihnen sichergestellt haben ...«
Alle weiteren Versuche, mehr zu erfahren, waren gescheitert. Regine hatte noch versucht herauszubekommen, was es mit den Forschungsvorhaben auf sich hatte, aber der Richter war ein Betonkopf. Thomas fühlte sich in der Annahme bestätigt, dass nicht in andere Richtungen ermittelt wurde. Über den eigentlichen Haftgrund erfuhren sie nichts, das sei Sache des Verteidigers, mit dem könnten sie alles besprechen.
Nach dieser Abfuhr hatte er sie quasi rausgeworfen. Sechser waren sie zum Glück nicht begegnet.
Während Thomas auf der Rückfahrt am Schiersteiner Kreuz beim Einfädeln nur knapp einem Auffahrunfall entging, sagte Regine etwas, das sein Denken auf den Kopf stellte.
»Wenn Manuel unschuldig ist, wie du sagst, wer ist dann schuldig? Wer ist wirklich der Mörder – genau das müssen wir fragen! Wer hatte ein Interesse an ihrem Tod? Manuel sicher nicht.«
Thomas fuhr langsamer, er hielt Ausschau nach einem Parkplatz; ein Rasthaus wäre ihm lieber gewesen, er hatte dringend einen Kaffee nötig.
»Das stimmt, Regine – der Mörder und sein Motiv. Frau Breitenbach hat sich ähnlich ausgedrückt. Sie meinte, dass sich das Motiv aus den Lebensumständen des Opfers ergibt. |127| Was hat Alexandra für einen Mord bedeutend genug gemacht? Das muss man nämlich sein. Das hat Altmann ignoriert.«
»Du weißt gar nichts von Alexandra. Frauen betrachten Frauen ganz anders als Männer.«
Es dauerte eine Sekunde, bis Thomas das Gesagte begriff, unter diesem Aspekt hatte er noch gar nicht über Alexandra nachgedacht. Regine war für ihn eine Kommilitonin, ein Kumpel, eine Mitbewohnerin – na ja, und da ein gewisser Thorsten aufgetaucht war, wohl auch eine Frau. Aber so hatte er sie nie gesehen. Er wandte sich ihr zu.
»Schau nach vorn«, blaffte sie ihn an, als hätte
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