Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Riesling zum Abschied

Riesling zum Abschied

Titel: Riesling zum Abschied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Grote
Vom Netzwerk:
sie diesen andersartigen Blick gespürt. »Du bringst uns auch noch um.«
    »Und wie sehen das Frauen – was sehen sie, was Männer nicht sehen?«
    »Man sieht zuerst ihr Äußeres, ob sie gut aussehen, wie sie sich anziehen, was für Schuhe sie tragen, ob sie gepflegt sind. Wir machen unsere Hierarchie unter uns aus, ohne euch Männer. Dann ist wichtig, wie Frauen ihr Frausein ausnutzen, ob sie damit kokettieren, sich dumm oder hilflos stellen – oh, ah, ich bin ja so klein und schwach.«
    »Klar, so jemand kommt bei dir nicht an, außer sie kann einen Schlepper fahren oder ein Barrique die Kellertreppe hochrollen.«
    »Soll ich das kommentieren?«, fragte Regine spitz und setzte die Aufzählung ihrer Beurteilungskriterien fort. »Es ist wichtig, mit wem jemand Umgang pflegt. Hat sie Freundinnen oder   ...«
    »...   oder treibt sie sich mit solchen wie die Handtaschen rum?«
    »...   auf welche Typen sie abfährt, ob sie die ausnutzt   ...«
    »So wie Alexandra es mit Manuel gemacht hat?«
    »Du hast es erfasst, Thomas, das ist ganz erstaunlich für einen Mann.«
    |128| »Ich dachte, das Thema Emanzipation hätten wir abgehakt.«
    »Wenn er so blöd war, auf ihr Theater reinzufallen, dann war er selbst schuld. Sage mir, mit wem du gehst, und ich sage dir, wer du bist.«
    Das zuletzt Gesagte gefiel Thomas nicht, aber er kam nicht umhin, Regine recht zu geben. »Wer war es denn deiner Meinung nach?«
    »Ein schlechter Mensch, einer von der übelsten Sorte, jemand, der im wahrsten Sinn des Wortes über Leichen geht. Er schreckt vor nichts zurück, jedes Mittel ist ihm recht. Und schlau ist er auch, wenn er Manuel als Verdächtigen präsentiert und keine Spuren hinterlässt. Nach dem müssen wir suchen – und zwar in Alexandras Umfeld.«
    »Du solltest als Profilerin arbeiten, als Zielfahnderin. Wie groß? Wie schwer? Ein Mann, eine Frau? Jetzt brauchen wir nur noch Namen und Adresse. Dann halten wir uns also an den Rat von Frau Breitenbach und finden den wahren Mörder.«
    »Da bleibt dir nichts anderes übrig. Was hältst du von ihr?«
    Sie waren auf der B 42 im Bogen um Eltville herumgefahren, hatten Erbach passiert und das Schloss Reichhartshausen in Oestrich hinter sich gelassen, das Thomas immer mit einem skeptischen Blick und einem unguten Gefühl betrachtete, wie etwas, das hinter ihm lag. Die dortige European Business School bildete die zukünftige Wirtschaftselite aus, nach Meinung seines Vaters war es der Heuschrecken-Nachwuchs, der sie in der nächsten Krise noch gnadenloser ins Unglück stürzen würde. Thomas kannte die Jung-Heuschrecken aus dem BW L-Studium , das war einer der Gründe gewesen, das Studium abzubrechen. Und die Nähe zur EBS war mit ein Grund für hohe Zimmerpreise, die von Studenten ohne solventes Weingut im Rücken kaum bezahlbar waren.
    |129| So künstlich wie die auf Schlossruine hergerichteten Gebäude klangen auch die Absichten der EBS: Responsability, Network, Excellence und Internationality – alles hohle Begriffe, und statt einer Mafia anzugehören, war man heute »gut vernetzt«. Je weiter er in die Weinwelt eintauchte, desto häufiger ging ihm auch hier das Geschwätz auf den Geist. In jedem dritten Prospekt war ein Winzer »der Tradition verpflichtet« und »der Moderne gegenüber aufgeschlossen«. Niemand hatte ihm bisher erklärt, was das in der Praxis bedeutete.
    Da war ihm das Fachwerk des »Hotel Schwan« bedeutend sympathischer, dort bestand kein eklatanter Widerspruch zwischen dem Außen und dem Innen, sowohl die Speisekarte wie auch die Weine befanden sich auf angenehmem Niveau. Als Nächstes kam der mit Holz verkleidete Oestricher Kran in Sicht, mit dem seit 1744   Weinfässer auf Transportschiffe verladen worden waren. Es war ein markanter Punkt, doch wenn Thomas daran vorbeifuhr, stellte er sich vor, wie einst Gefangene wie Hamster in den großen Rädern den Kran hatten antreiben müssen. So war es immer: Kannte man den Hintergrund, verflüchtigte sich die Romantik.
    »Ich habe dich eben was gefragt«, sagte Regine. »Wo bist du? Hast du erste Ausfallerscheinungen vom Alkohol?«
    »Was hast du gefragt?«
    »Was du von Frau Breitenbach hältst. Wird sie dir helfen?«
    »Mir? Wieso mir? Ich dachte
uns
.« Sah Regine die Bemühungen um Manuel als seine und nicht als ihre gemeinsame Sache an?
    Regine schwieg, manchmal musste Thomas bei ihr etwas länger auf eine Antwort warten. Er warf einen schnellen Blick auf die Motorboote und Segeljachten am Ufer.
    »Was ich

Weitere Kostenlose Bücher