Riesling zum Abschied
Chemie, Pflanzen schutz , Pestizide oder Genetik, Mikrobiologie, ich weiß es nicht ...«
»Das passt ja zusammen.«
»Womit?« Jetzt horchte Thomas auf.
»Mit den Unterlagen, die von der Polizei beschlagnahmt wurden. Man fand vertrauliche Forschungsunterlagen aus |205| genau diesen Bereichen, und damit hatte Ihr Freund, wie er sagt, nichts zu tun. Wie aber sind sie dann in seine Hände gelangt? Sie waren nicht freigegeben. Ich glaube, Herr Stern ist Ihnen gegenüber nicht ganz offen ...«
Gab es Grund, an Manuel zu zweifeln? Nein, dieser Mann ihm gegenüber wollte Zwietracht säen und Manuel isolieren – nur um seinen Prozess gut abzureißen? Was wusste Manuel, was er, Thomas nicht wusste? Wem war er im Weg? Thomas bekam es für einen Moment mit der Angst zu tun, als ginge er auf dünnem Eis, das jeden Moment einbrechen konnte. Wusste er wirklich alles über Manuel?
»Wir müssen den wirklichen Täter finden, Herr Vormwald, es gibt kein Motiv für ...«
»Das Motiv ist sonnenklar, leider. Es ist Eifersucht. Und Ihr Freund wusste von der Mordwaffe; er wird sie in den Rhein geworfen haben.«
»Was Sie nicht alles wissen. Ist denn überhaupt erwiesen, dass es sich um die Mordwaffe handelt? Sie wurde doch nicht gefunden, oder?«
Das war falsch, dachte Thomas, die Wut war mit ihm durchgegangen, und Vormwald wirkte wieder sehr aufmerksam.
»Was Sie bisher von sich gegeben haben, Herr Achenbach, hilft Ihrem Freund nicht weiter. Da wäre noch der Riesling aus Ihrem Kühlschrank. Es war das Letzte, was das Opfer getrunken hat, kurz vor seinem Tod, das ergab die Obduktion. Außerdem fand man dieselben Gläser wie in Ihrer W G-Küche , blitzsauber gespült, keine Fingerabdrücke, wohl aber die Fasern vom entsprechenden Küchenhandtuch. Da hat jemand fein sauber gemacht.«
Dass die Wohnung aufgebrochen worden war, erzählte Thomas besser nicht, er würde gar nichts mehr sagen, er würde Vormwald nicht länger als Manuels Anwalt betrachten und den Freund überzeugen, ihm die Vollmacht zu entziehen. Da war jeder bestellte Pflichtverteidiger hilfreicher.
|206| »Sie wollen Manuel als psychisch labil hinstellen? Sie prüfen keine anderen Möglichkeiten, ja, Sie ziehen sie nicht einmal in Betracht ... für Sie ist bereits alles klar.«
»Sie sind unverschämt. Es ist eine Frechheit, meine Verteidigung zu kritisieren. Ich mache meine Arbeit seit fünfunddreißig Jahren, und Sie gehen besser mit Ihrem Spaten wieder in Ihren Weinberg zurück. Überlassen Sie die Jurisprudenz gefälligst den Erwachsenen. Ihre Besorgnis um Ihren Freund ist rührend, nur ihm hilft das wenig ...«
»Für gutgemeinte Ratschläge ist ein junger Mensch immer dankbar«, sagte Thomas betont freundlich und bemerkte, wie Vormwald eine Sekunde brauchte, um seinen Zynismus herauszuhören. Er sollte begreifen, dass er mit ihm nicht so leicht fertigwerden würde. Dieses Verhältnis war genauso wenig zu kitten wie das mit Sechser. Der Mann muss weg, dachte Thomas, dringend. Wozu eine Haftprüfung, wenn der Anwalt nichts Entlastendes fand – oder finden wollte? Manuel brauchte einen Verteidiger, der von seiner Unschuld überzeugt war.
Thomas ging zur Toilette. Auf dem Rückweg blieb er am Tresen stehen, bestellte die Forelle ab, aber er musste sie zahlen. Den Wein übernahm er freiwillig. Wie knapp er auch bei Kasse war, von Vormwald ließ er sich nicht einladen. Er ließ sich vom Ober noch ein Glas Wein geben, »aus einer Flasche, die mindestens einen Tag offen ist«.
Er wusste, dass ein guter Riesling Zeit brauchte, einen Tag, zwei Tage, am dritten musste er noch immer seine Eigenschaften zeigen, wenn er was taugte, wenn man zu der Größe dieser Rebe zurück wollte.
Er bekam einen Rotlack, einen Riesling Kabinett, er war als »feinherb« deklariert. Thomas hielt die Bezeichnung für Augenwischerei, die süße Weine kaschieren sollte. Aber dieser hier hatte die Bezeichnung verdient. Die vielseitigen Aromen, die Dichte und auch die Säure hielten die Süße in Schach, sie aber ließ den Wein weicher und voller wirken.
|207| Er ging zum Tisch zurück. Die Verschnaufpause hatte ihn in seinem Entschluss bestärkt, auch der traumhafte Ausblick in den sommerlichen Nachmittag brachte ihn von seinem Entschluss nicht ab. Er würde sich nicht wieder zu Vormwald setzen.
Der Anwalt merkte schnell, dass sich etwas verändert hatte, dumm war er nicht. »Wir sollten vielleicht noch einmal von vorn ...«
»Da der Wein meine Domäne ist, und Sie
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