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Riesling zum Abschied

Riesling zum Abschied

Titel: Riesling zum Abschied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Grote
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Johanna.
    »Niemand war dagegen, wir haben mehr Ratschläge bekommen, als uns lieb war, aber als Quereinsteiger kann man dafür nur dankbar sein. Ich kannte nichts weiter als Bildschirme, |215| Zahlen, Kurse und Ratings. Jemanden um Hilfe zu bitten bedeutet auch, sich auszuliefern, und so zeigt man den Mitmenschen, dass man sie nicht fürchtet, denn wer Angst hat, hat auch oft was zu verbergen, und wenn es die eigene Unsicherheit ist. Nur ein Lump sagt Nein, wenn er um Hilfe gebeten wird.«
    »Vielleicht ist es auch einfacher, wenn man allein kommt, wenn es nicht viele sind, wenn sich die anderen nicht überrollt fühlen.«
    »Es gibt noch ein zweites deutsches Weingut hier, aber zu den Betreibern haben wir keinerlei Kontakt, die leben ziemlich isoliert. Da gibt es die einheimischen Angestellten und eine alte Dame aus Deutschland. Uns jedenfalls geht sie aus dem Weg.«
    Als Theodor II. auf dem Stuhl und seine Schwester auf dem Schoß ihres Vaters eingeschlafen waren, wurden beide zu Bett gebracht. Johanna blieb für einen Moment allein auf der Terrasse und genoss den Abendhimmel, dessen Anblick in Bingen durch die Berge ringsum begrenzt war. Das Gefühl von Einsamkeit, vor dem sie sich gefürchtet hatte, wollte sich nicht einstellen, nicht einmal Melancholie. Sie trank einen Schluck Wein. Sein Geschmack erinnerte sie an das Treffen mit Marquardt und Konsorten, die Aromen waren ähnlich, aber dieser Wein wirkte wesentlich stärker, seine Tannine längst nicht so hart, und er schien ihr gleichzeitig weicher. Dann stimmte es, dass die Umgebung, in der man trank, den Geschmack des Weins prägte?
     
    Der nächste Vormittag verging mit der Besichtigung des Weingutes, des Maschinenparks, der Weinberge und des 656   Seelen zählenden Dorfes. Es gab eine alte Schlossruine, eine romanische Kapelle sowie eine Pfarrkirche aus dem 11.   Jahrhundert und Reste einer alten Stadtmauer. Johanna bekam zwischen Keller- und Weinbergsbesichtigungen alles vorgeführt. Bis in die Mitte der sechziger Jahre waren die Weine |216| von hier als einfache Côtes du Rhône verkauft worden, im Jahr 1966 erreichte Gigondas den Status als Côtes du Rhône Villages, bis der Ort dann 1971 eine eigene Appellation zugestanden bekam.
    »Früher nannte man den Gigondas den Châteauneuf-du-Pape für Arme oder auch seinen kleinen Bruder.« Meckling lachte. »Da sind wir längst drüber hinaus. Heute haben sich etliche der hiesigen Winzer die drei Sterne im Guide-Hachette-Weinführer längst verdient. Wir haben im letzten Jahr zum ersten Mal einen zweiten Stern erhalten.«
    Johanna sah ihm die Genugtuung darüber an und auch wie viel Freude es ihm machte, ihr seine Weinberge vorzuführen, die Hügel hinauf, um Felsen herum in die schmalen Täler hinein, eine Staubfahne hinter sich lassend. Es duftete beinahe so üppig, dicht, warm und intensiv, wie sie es sich vorgestellt hatte, nur etwas staubiger. Seit April hatte es nicht mehr geregnet, und vor Oktober war kaum ein Tropfen Regen zu erwarten.
    »Die Qualitätsanforderungen sind hoch. Wir dürfen nicht mehr als fünfunddreißig Hektoliter je Hektar ernten, das sind knapp fünftausend Kilo, das entspricht in Deutschland der Menge eines Ersten Gewächses, wobei wir hier die Vorteile des trockenen Südens genießen und wenig Pilzbefall haben, also kaum spritzen. Als Dünger reicht Schafmist und all das, was im Weinberg an Abschnitten, Blättern, Trester sowie Hefeabstich übrig bleibt. Hier ist es einfach, ökologisch zu arbeiten, ich hoffe nur, uns geht das Wasser nicht aus.«
    Sie liefen Mecklings Weinberge ab, Johanna griff nach dem rötlichen, geröllhaltigen Ton, den sie zwischen den Fingern zerbröselte, und er sprach über die hiesigen Rebsorten, die rote Grenache, Syrah und Mourvèdre. Johanna hätte sie nicht einmal vom Riesling unterscheiden können, selbst wenn sie die Blätter nebeneinander gelegt hätte. Dabei waren die Rebstöcke sehr unterschiedlich: dicker, knorriger und älter, zum Teil sechzig Jahre alt, und sie bildeten viele |217| Ruten, von denen die meisten weggeschnitten wurden, damit der Rebstock nicht zu viele Trauben ernähren musste und der Extrakt nicht verwässert wurde.
    »Die hiesigen Weine sind in der Regel sehr fruchtig und extrem alkoholreich, sie reichen bis zu vierzehneinhalb Prozent, bei der knalligen Sonne hier ist das kein Wunder.«
    Und damit sie sich nicht nur mit der Theorie aufhielten und Johanna ausschließlich Mecklings Weine kennenlernte, fuhren sie auf dem

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