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Riesling zum Abschied

Riesling zum Abschied

Titel: Riesling zum Abschied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Grote
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Rückweg vom Weingut Montirius zur Domaine du Mont d’Or noch schnell bei Familie Amadieu vorbei und probierten.
    Der Vater erinnerte Johanna an Louis de Funès. Ob ihm der Vergleich gefallen hätte? Als der Exportleiter dazukam, waren die Filmstars komplett: In ihm sah sie Fernandel, den Darsteller des Don Camillo mit dem Pferdegebiss, ein Idol ihrer Kindheit. Wie konnte man als Kind so ein Gesicht geliebt haben?
    Der Verkaufsleiter präsentierte einen vier Jahre alten Pas de l’Aigle, es war sofort Johannas Favorit, wie viele der hiesigen Weine ein Verschnitt aus Grenache und Syrah. Er hätte noch ein oder zwei Jahre liegen können, aber auch jetzt zeigte er sich bereits trinkbar, die Gerbsäure hatte ihre Rauheit und Schärfe durch die Lagerung im Fass wie auf der Flasche verloren, doch beides gehörte zu diesem Wein wie Aromen von reifen roten Früchten, Pflaumen, von Leder und Lorbeer. Und trotz seiner Kraft und Würze wirkte er nicht schwer, nicht pappig und nicht süß. Aber er stieg in den Kopf. Johanna war zufrieden mit sich, dass sie sich so weit einem Wein nähern und ihn beschreiben konnte, dass sie sich zutraute, ihre Meinung zu äußern. Oder war der Alkohol daran schuld – oder dass sie so weit von allem weg war?
    Der Domaine Grand Romane war ebenfalls vier Jahre alt, jedoch längst nicht so geschliffen und ungestüm. Johanna war froh, dass man ihr eine Beschreibung ersparte, der Chef nahm sie selbst vor:
    |218| »Brombeeren, schwarze Johannisbeeren, wobei das Himbeer- und Erdbeeraroma leicht von Vanille überdeckt sind. Gleichzeitig nehme ich Thymian wahr, Lorbeer und schwarze Oliven mit einigen pfeffrigen Noten.«
    Er musste die Beschreibung auf Englisch wiederholen, bis Johanna ihn verstand. Was jetzt noch die feinporige Eiche aus Allier Besonderes hinzufügte, blieb ihr verschlossen. Das großporige Holz der Eichen aus den Wäldern des Limoges brachte angeblich eine ganz andere Note mit sich.
    Ein weiterer Wein musste probiert werden. Da verlor sich der Unterschied zwischen deutschen und französischen Winzern. Wenn sie erst einmal bei der Verkostung waren, stellten sie alles vor, was sie im Keller und auf der Flasche hatten, und fanden kein Ende.
    Beim nächsten Wein musste Johanna passen. Sie trank zu viel, sie war das Ausspucken nicht gewohnt, und zu viel Alkohol machte sie schweigsam. Es war ihr peinlich, sie fühlte sich benebelt. Glücklicherweise hatte Frau Gesine den Tisch fürs Mittagessen gedeckt, als sie zurückkehrten. Das alles erinnerte Johanna wieder an das Wochenende mit Manuel und den Achenbachs, nur dass dort die Männer gekocht hatten, und sie begriff, wie vieles die Winzer gemeinsam hatten, unabhängig von ihrer Nationalität. Sie liebten ihre Weine, das Leben war vom Weinberg bestimmt, vom Wetter, von der Erde, und irgendwie schienen sie ihr alle miteinander verwandt. Das war der letzte Gedanke, bevor sie satt und zufrieden in den Mittagsschlaf abtauchte.
    Am Nachmittag erschien ein Architekt. Er hatte die Umbauten des Weingutes geleitet. Gemeinsam inspizierten sie die Bausubstanz und diskutierten nötige Umbauten der Dächer für die Sonnenkollektoren und Belüftungsschächte in den Kellern. Daran schloss sich eine Debatte über Energieeinsparung und Atomenergie an, der Frankeichs Wirtschaft sich verschrieben hatte. Meckling teilte glücklicherweise Johannas Meinung, nicht aber der Franzose.
    |219| »Ihr seid eben eine Atommacht«, frotzelte der Winzer, »oder ihr haltet euch zumindest dafür. Ihr braucht die Meiler für euer Plutonium. Aber wen wollt ihr denn damit beeindrucken, außer eure afrikanischen Kolonien? Wir Deutsche sind längst keine Bedrohung mehr, und die Russen machen kurzen Prozess, bevor ihr auch einen Finger an den Roten Knopf legt. Wir müssen Strom produzieren, wir alle, auf jedem Dach, an jedem Fluss, auf jeder Bergkette, Kollektoren, Windräder und Wasserkraft.« Meckling kam bei diesem Thema richtig in Fahrt. »Oder einfach sparen, raus aus der Wachstumsfalle! Nur so machen wir die verfluchten Meiler überflüssig, die Regierungen tun es sowieso nicht, wie man an Deutschland sieht. Da fliegt sogar die Regierungschefin mit einer Düsenmaschine zum Fußballspiel bis nach Südafrika.«
    Johanna empfand es als erleichternd, dass sich auch mal ein anderer aus dem Fenster lehnte. »Ich überlege mir, ob ich mit dem Fahrrad oder mit dem Auto zum Einkaufen fahre, um weniger Dreck zu machen«, meinte sie lachend, obwohl sie es gar nicht komisch fand. »Ist

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