Rigor Mortis: Thriller Ein neuer Fall für Roy Grace (German Edition)
flache Wasser der Turtle Bay Cove und die Boote, die am Ponton unterhalb der Shark Bite Sports Bar vertäut waren. Er las die New York Times auf seinem Kindle.
Es war ein schöner Tag, wie die meisten Tage auf dieser Insel, und der Seewetterbericht war gut. Bald würden er und Yossarian mit dem Boot hinausfahren, das SideScan-Sonar einschalten und angeln. Was immer er fing, würde er mit seinem Partner teilen. Sie steckten zusammen in diesem beschissenen Leben und kümmerten sich umeinander.
Vor einigen Monaten war ein örtlicher Ganove in seine Wohnung eingestiegen, während er einkaufen war. Das wäre nicht weiter auffällig gewesen, da er die Terrassentür offen gelassen hatte, falls Yossarian, der gerne drinnen im Kühlen schlief, sein Geschäft erledigen musste. Dass jemand in der Wohnung gewesen war, hatte Tooth nur an den vier abgetrennten, blutigen Fingern gemerkt, die auf dem Küchenboden neben dem Esstisch lagen. Sein Partner hatte seine Pflicht erfüllt.
Bevor sie zum Angeln hinausfuhren, hatte Tooth noch etwas zu erledigen. Es war ein Ritual, das er an jedem Morgen nach seinem Geburtstag durchführte. Das Leben war einfach, man sollte sich um die Dinge kümmern, die einem wichtig waren. Also kümmerte er sich um seinen Partner und um seinen Revolver.
Er holte ihn aus dem verschlossenen Safe, legte ihn auf eine Zeitung und baute ihn auseinander. Er mochte das Gefühl des kalten Metalls. Er hatte gern den Lauf, den Abzug, den Rahmen, den Hahn und die Sicherung vor sich auf dem Tisch liegen wie die Einzelteile eines Skeletts. Er genoss das Wissen, dass diese unbelebte, wunderbar konstruierte Maschine darüber entscheiden würde, ob er lebte oder starb. Es tat gut, die Verantwortung dafür abzugeben.
Er träufelte Waffenöl auf einen Lappen und wischte den Lauf damit ab. Er liebte den Geruch des Öls, so wie andere Leute das Bukett eines edlen Weins liebten. Im Fernsehen hatte er Weinexperten gesehen, die das Aroma von Zedernholz, Zigarre, Pfeffer, Zimt, Stachelbeeren, Lindenblüten oder Zitrusfrüchten lobten. Dieses Öl roch metallisch mit einem Hauch von Leinsamen, Kupfer und fauligen Äpfeln. Für ihn war es ebenso gut wie der beste Wein.
Er hatte viel Zeit allein in feindlichen Gebieten verbracht, mit einem Gewehr und einer Pistole als einziger Gesellschaft. Der Geruch der Waffen und des Öls, das sie reibungslos funktionieren ließ, wirkte stärker auf ihn als der Duft der schönsten Frau auf Erden. Es war der einzige Geruch auf der Welt, dem er vertrauen konnte.
Plötzlich klingelte sein Handy.
Er warf einen Blick auf das schwarze Gerät, das neben ihm auf dem Tisch lag. Eine New Yorker Nummer wurde angezeigt, die er nicht kannte. Er drückte den Anruf weg und dachte nach.
Nur ein Mensch kannte die Nummer seines augenblicklichen Prepaid-Handys. Tooth hatte fünf dieser Handys in seinem Safe liegen. Er nahm immer nur einen Anruf entgegen und vernichtete das Telefon danach. Diese Vorsichtsmaßnahme hatte sich als hilfreich erwiesen. Der Mann, der für eine New Yorker Gangsterfamilie arbeitete, verstand Tooth, und der wiederum vertraute ihm.
Er nahm die SIM-Karte aus dem Handy und hielt sie so lange an die Flamme seines Feuerzeugs, bis sie geschmolzen war. Dann holte er ein neues Telefon aus dem Safe, überzeugte sich davon, dass seine Rufnummer unterdrückt wurde, und wählte.
»Ja?«, meldete sich umgehend eine Männerstimme.
»Sie haben angerufen.«
»Man sagte mir, Sie könnten helfen.«
»Kennen Sie meine Bedingungen?«
»Die gehen in Ordnung. Wann können wir uns treffen? Heute Abend?«
Tooth ging im Kopf die Flugzeiten durch. Er kannte den Flugplan nach Miami und die Anschlussflüge in verschiedene Großstädte. In einer Stunde wäre er abflugbereit. »Der Typ, der Ihnen die Nummer gegeben hat, wird Ihnen eine weitere Nummer geben. Rufen Sie mich um 18.00 Uhr darunter an und geben Sie mir die Adresse durch.« Dann hängte er ein.
Er rief die Putzfrau an, die sich um Yossarian kümmerte, wenn er unterwegs war. Dann packte er noch einige Gegenstände in seine Reisetasche und bestellte ein Taxi. Während er darauf wartete, plauderte er mit seinem Partner und gab ihm einen extra großen Kauknochen.
Yossarian schnappte ihn und schlich betrübt in die dunkle Ecke, in der sein Korb stand. Er wusste, dass sein Rudelführer weggehen würde, wenn er ihm einen großen Knochen gab. Das hieß, keine Spaziergänge. Es war wie eine Strafe, nur wusste er nicht, was er falsch gemacht hatte. Er
Weitere Kostenlose Bücher