Rigor Mortis: Thriller Ein neuer Fall für Roy Grace (German Edition)
den Handel mit Pornofilmen. Außerdem besaß die Familie Immobilien in Schwellenländern wie China, Rumänien, Polen und Thailand.
Während dieser Zeit hatte Lou Revere sich und seiner engeren Familie geschickt den Rücken freigehalten. Als man Sal Giordino zunächst wegen Steuerhinterziehung anklagte, kam Lou ungeschoren davon. Ein enger Vertrauter Giordinos, der den Verlust seines gesamten Vermögens befürchtete, schloss einen Deal mit der Staatsanwaltschaft und sagte drei Monate lang gegen den Capo aus. Was als Steuerermittlung angefangen hatte, endete in einer Verurteilung wegen Verschwörung zum Mord in siebzehn Fällen. Sal Giordino würde im Gefängnis sterben, doch das alte Ungeheuer zeigte sich ungerührt. Wann immer ihn ein Reporter fragte, was es für ein Gefühl sei, nicht mehr lebend das Gefängnis zu verlassen, knurrte er nur: »Irgendwo muss ich ja sterben.«
Inzwischen war Fernanda betrunken. Die Crew des Gulfstream-Jets hatte nach den Erfahrungen während des Hinfluges ihren Vorrat an Grey Goose-Wodka, Eis und Cranberrysaft aufgefüllt und auch eine Auswahl an Essen besorgt, das Fernanda noch nicht angerührt hatte. Am Ende des siebenstündigen Fluges hatte sie eine Flasche Wodka ausgetrunken und machte sich an die zweite. Sie hielt das Glas noch immer umklammert, als die Maschine um 14.15 Uhr Ortszeit auf dem Republic Airport von East Farmingdale aufsetzte.
Lou half ihr die Gangway hinunter. Sie bemerkte kaum, was um sie herum vorging, als sie die Einwanderungskontrolle passierten. Eine Viertelstunde später wühlte sie im Barschrank des Lincoln Town Car, in dem sie die kurze Strecke bis nach East Hampton zurücklegten.
»Meinst du nicht, es reicht, Liebes?« Lou streckte vorsichtig die Hand aus.
»Mein Vater würde wissen, was zu tun ist«, nuschelte sie. »Aber du weißt gar nichts, oder?« Unbeholfen blätterte sie durch die Favoritenliste in ihrem iPhone, schaute blinzelnd auf die Namen und Nummern, die vor ihren Augen verschwammen. Dann tippte sie auf den Namen ihres Bruders.
Sie war gerade nüchtern genug, um darauf zu achten, dass die Abtrennung zum Fahrerbereich geschlossen und die Sprechanlage ausgeschaltet war. Dann hob sie das Telefon ans Ohr.
»Wen rufst du an?«
»Ricky.«
»Du hast es ihm doch schon gesagt, oder?«
»Deshalb rufe ich nicht an. Er muss was unternehmen.« Dann sagte sie: »Scheiße, die blöde Mailbox. Ich bin’s, Ricky, ruf mich an, ich muss dringend mit dir reden.«
Lou schaute sie an. »Worum geht es?« Ihr Bruder war ein Ekelpaket, faul, aalglatt und widerlich. Er hatte die rücksichtslose Gewalttätigkeit seines Vaters geerbt, nicht aber die Cleverness des alten Mannes. Lou ertrug ihn, weil ihm nichts anderes übrigblieb, hatte ihn aber nie gemocht.
»Ich sage dir, worum es geht«, nuschelte sie. »Es geht um eine betrunkene Fahrerin, einen Scheißfahrer, der nicht angehalten hat, und einen Lkw-Fahrer, der gar nicht auf der Straße hätte sein dürfen. Darum geht es.«
»Und was soll Ricky daran ändern?«
»Er wird jemanden kennen.«
»Jemanden?«
Sie drehte sich um und funkelte ihn an. Ihre glasigen Augen waren hart wie Diamanten. »Mein Sohn ist tot. Ich will die betrunkene Schlampe, den Lieferwagenfahrer und den Lkw-Fahrer, verstanden? Sie sollen leiden.«
31
ROY GRACE SASS MIT SEINEM TEAM im Konferenzraum. »Samstag, 24. April, 8.30 Uhr. Dies ist die vierte Besprechung der Operation Violin in Sachen Tony Revere.«
Bei der Besprechung am Vorabend hatte PC Alec Davies Aufnahmen gezeigt, die aus der Überwachungskamera eines Wettbüros stammten, das sich gegenüber der Unfallstelle befand. Das Video war körnig, zeigte aber, dass der Audi den Radfahrer knapp verfehlt hatte. Inspector James Biggs hatte nach einer weiteren Befragung der Fahrerin und der Untersuchung ihres Wagens bestätigt, dass kein Kontakt zwischen Fahrrad und Audi stattgefunden hatte. Daher hätten sie die Absicht, sie lediglich wegen Trunkenheit am Steuer zu belangen.
Grace wusste, dass Carly Chase einen weitverbreiteten Fehler begangen hatte: Sie hatte geglaubt, dass der Alkohol über Nacht vollständig abgebaut worden war. Das hatte ihm auch bei Cleo manchmal Sorgen gemacht. Vor ihrer Schwangerschaft hatte sie nach der Arbeit bisweilen eine Menge getrunken. Vielleicht würde er das auch tun, wenn er ihren Job hätte. Eigentlich sollte sie gestern entlassen werden, doch der Arzt hatte sie in letzter Sekunde noch einen Tag dabehalten. Heute Nachmittag würde Grace sie aus
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