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Riley Das Mädchen im Licht

Riley Das Mädchen im Licht

Titel: Riley Das Mädchen im Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alyson Noël , Ulrike Laszlo
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gewesen, hätte ich jetzt vor Schreck den Atem angehalten und hätte mir in Panik überlegt, was wohl als Nächstes passieren würde.
    So aber blieb ich wie angewurzelt stehen. Die geballte Energie, die die neue, tote, geisterhafte Version von mir normalerweise antrieb, kam mit quietschenden Bremsen zum Stillstand. Ich blieb schwankend stehen, und Buttercup kauerte sich neben mich.
    Bodhi schlich immer näher an sie heran, aber die Frau nahm seine Gegenwart gar nicht wahr. Sie hatte nicht einmal bemerkt, dass wir den Raum betreten hatten.
    Sie stand da und presste sich so nahtlos an die Wand, dass sie scheinbar mit ihr verschmolz. Sie war klein und schlank, und ihr Rücken krümmte sich, als sie ihre schmalen Schultern hochzog. Hin und wieder, wenn sie wieder von einem erneuten Weinkrampf geschüttelt wurde, richtete sie sich auf, bevor sie sich dann wieder zurücksinken ließ und noch tiefer nach unten sank als zuvor. Ihr langes Baumwollkleid klebte wenig schmeichelhaft in klatschnassen Falten an ihr. Alles an ihr war so farblos, so matt, so unscheinbar. Nur ihr Haar stach hervor. Es war das Einzige an ihr, was Farbe besaß – es war lang, wellig und dunkel und in einem lockeren Knoten nach oben gesteckt, der von zwei perlenbesetzten Haarnadeln notdürftig zusammengehalten wurde.
    Wir drei beobachteten, wie sie aus einem kleinen, quadratischen Fenster starrte und sich über etwas grämte, was wir nicht einmal erahnen, geschweige denn sehen konnten.
    Ihr Wehklagen klang so herzzerreißend, so befremdlich, so aufwühlend und so verwirrend, dass Buttercup sich auf den Bauch sinken ließ, sein Kinn auf den alten Steinboden presste und seine Pfoten auf seine Ohren legte, in dem verzweifelten Versuch, es nicht mehr mit anhören zu müssen.
    Ganz ehrlich, als ich das sah, war ich kurz davor, es ihm gleichzutun. Aber dann warf Bodhi mir einen Blick über die Schulter zu, um nachzuschauen, wie es uns ging. Ich wollte mir nicht anmerken lassen, dass ich völlig geschockt und kurz vorm Ausrasten war, also hob ich meine Hand und fuhr mit den Fingern durch die Luft, um ihm zu bedeuten, dass er sich nicht um uns kümmern, sondern einfach mit seiner Aufgabe fortfahren sollte. Je schneller er zur Sache kam, umso schneller konnten wir dieses enge, stickige Gefängnis aus Stein verlassen.
    Die wenigen Minuten in ihrer Gegenwart hatten gereicht, um meine Träume von einem Rapunzeldasein zunichtezumachen, ganz zu schweigen von meiner bisherigen Begeisterung für Schlösser, Türmchen und ähnliche Dinge. Es war grässlich hier drin – winzig, dunkel, schmutzig und feucht. Man bekam Platzangst, selbst wenn man wie wir nicht mehr atmen musste. Ich begriff nicht, warum irgendjemand einen Teil seines Lebens nach dem Tod so verbringen wollte oder Hunderte Jahre hier ausharrte.
    Was sich manche Geister dabei dachten, konnte ich nicht nachvollziehen.
    Das Verhalten von einigen ergab überhaupt keinen Sinn.
    Bodhi sprach leise und ruhig auf sie ein, und obwohl ich die Worte nicht verstand, war mir klar, dass er versuchte, ihre Aufmerksamkeit zu erlangen, ihr Vertrauen zu gewinnen und sie dazu zu bewegen, sich umzudrehen und ihn anzusehen.
    Er nahm sogar seine lächerliche Brille ab und steckte sie in die Tasche. Ich war nicht sicher, ob er sie so besser sehen konnte oder ob sie ihn somit leichter erkennen sollte – falls sie sich überhaupt jemals zu ihm umdrehen würde.
    Obwohl er ohne diese Brille x-mal besser aussah und das ein riesiger Schritt weg vom Langweilerlook und ein winziger Schritt hin zu … na ja, hin zu dem Gegenteil davon war, machte es im Endeffekt nicht den geringsten Unterschied. Zumindest nicht für sie.
    Sie blieb weiter wie angewurzelt an derselben Stelle stehen. Und sie weinte immer noch und starrte weiterhin aus dem schmalen, quadratischen Fenster.
    Selbstvergessen.
    Desinteressiert.
    Zu sehr in ihren Kummer versunken.
    Während ich sie dabei beobachtete, fragte ich mich, ob sie jemals davon genug haben und damit aufhören würde.
    Ob sie wohl jemals nur für ein paar Minuten innehalten und sich über die Augen wischen oder ihre Nase putzen würde, bevor sie wieder anfing.
    Dann erfuhr ich, dass sie das tatsächlich tat.
    Und dass das Wehklagen schon bald durch etwas noch viel Schlimmeres ersetzt werden würde.

 
    NEUNZEHN
     
    S ie drehte sich um.
    Wandte sich um und sah uns geradewegs an.
    Oder zumindest sah es zuerst so aus.
    Aber als ich beinahe entsetzt zurückgewichen wäre, mich abwenden wollte, mir

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