Riley Das Mädchen im Licht
Buttercup schnappen und schnellstens von hier verschwinden und nie wieder zurückkehren wollte, bemerkte ich, dass sie uns gar nicht wirklich sah.
Sie hatte sich zwar in unsere Richtung gedreht, aber ihre Aufmerksamkeit war nach innen gerichtet. Sie nahm nichts von ihrer Umgebung wahr, sondern sah nur die Bilder, die ihr immer wieder durch den Kopf gingen.
Und als mein Blick unbeabsichtigt ihren traf, konnte auch ich nur noch diese Bilder sehen.
Ich sackte zusammen und fiel wimmernd und schluchzend zu Boden. Ich fühlte mich, als hätte man mir den Stecker gezogen. So als wäre mein Docht gelöscht worden oder meine Glühbirne soeben ausgebrannt. All meiner Energie beraubt, schlang ich instinktiv meine Arme um meinen Körper und versuchte, mich gegen ihren Schmerz, ihre Angst, ihren Verlust und ihre unerträgliche Pein zu schützen, doch es war vergeblich. Ich wollte nur noch aufschreien und in ihren Klagegesang einstimmen. Ich wollte wehklagen, stöhnen, mich vor Gram verzehren und auf meine eigene schreckliche Weise fortwährend und unaufhörlich weinen. Aber meine Kehle war wie zugeschnürt und so heiß, dass ich nicht schlucken oder gar einen Ton hervorbringen konnte.
Bodhi versuchte, mich zu schützen, und riss seine Arme hoch, um mir die Sicht auf sie zu versperren, aber es war bereits zu spät.
Zu spät, um wegzuschauen.
Zu spät, um sie nicht weiter anzustarren, bis ich ganz und gar in ihre Welt eingetaucht war.
Nur Buttercup war schlau genug, seine Pfoten über die Augen zu legen, um sie nicht anschauen zu müssen.
Ich sah sie mir genauer an. Selbst für einen Geist war sie so unglaublich blass, dass die dunklen Haarsträhnen, die sich aus ihrem Knoten gelöst hatten, sich gegen ihr Gesicht abzeichneten wie die Silhouette einiger Zweige in einem unerwarteten, blendend weißen Schneesturm. Ihr einfach geschnittenes, hochgeschlossenes Kleid war sicher einmal schwarz gewesen, doch nachdem der Stoff jahrhundertelang von einer endlosen salzigen Tränenflut getränkt worden war, war er verschlissen. Die ständige Trauer und die fließenden Tränen hatten jedoch in ihrem Gesicht noch mehr Schaden angerichtet als an dem Stoff. Dort, wo einmal ihre Wangenknochen hervorgetreten waren, befanden sich nun tiefe Furchen und Kluften, und dort, wo ihre Nase, ihre Lippen und ihr Kinn sein sollten, taten sich endlose Täler und Schluchten auf. Auf eine merkwürdige, makabere Art erinnerte mich das an einen Ausflug mit meiner Familie zum Grand Canyon, wo mein Vater mir und Ever erklärt hatte, wie das Wasser durch Steigen und Fallen, durch die unaufhörliche Bewegung, die Kraft entwickelte, an dem Fels zu arbeiten, sich einen Weg zu bahnen und Teile des Gesteins vollkommen abzutragen, als würde es mit einem Meißel abgeschliffen.
Der einzige Teil ihres Gesichts, der noch einigermaßen erkennbar war, war der Bereich, wo ihre Augen hätten sein sollen.
Viele Jahre unaufhörlicher Tränen hatten sie fortgespült, so dass nur noch zwei dunkle und unergründlich tiefe Tümpel vorhanden waren. Sie waren mit trübem schwarzen Wasser gefüllt, dass mich hineinzog, bis ich mich in einem Strudel drehte und immer tiefer und tiefer gespült wurde – wie Wasser, das durch einen Abfluss rann, oder Regen, der in eine Rinne floss. Ich fiel und schlug um mich, aber ich konnte nichts dagegen tun.
Ich schaffte es nicht, mich wieder nach oben zu ziehen.
Ich konnte mich nicht aus den Klauen ihres grenzenlosen Schmerzes befreien.
Ich ertrank.
Mühsam versuchte ich, meinen Kopf aus diesem dunklen, schlammigen Teich zu strecken und dem Strudel schwarzen Wassers zu entkommen, der um mich herumwirbelte. Ich hustete, blinzelte und gab mein Bestes, um meinen Kopf nach hinten zu legen und mich einfach treiben zu lassen. Ich ermahnte mich, ruhig zu bleiben und mich zu entspannen. Wenn ich in Panik geriet, würde alles nur noch schlimmer werden. Ich rief mir alles ins Gedächtnis, was ich jemals im Schwimmunterricht und in den Kursen für Rettungsschwimmer gelernt hatte. Ich bemühte mich verzweifelt, kein Wasser in meine Lungen dringen zu lassen, obwohl ich tief in meinem Inneren wusste, dass sie eigentlich nicht mehr existierten.
Aber es war zu spät.
Trotz meiner Anstrengungen, trotzdem ich mit den Beinen strampelte und mich abmühte, mich mit den Händen irgendwo festzuhalten, konnte ich sie nicht bezwingen. Ich wurde nach unten gezogen. Und obwohl ich noch vor wenigen Minuten nicht einmal geatmet hatte, wusste ich, dass meine
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