Riley Jenson 02 - Wächterin des Mondes
die restliche Nacht hindurch. Als das eiskalte Wasser zu unangenehm an meinen Pfoten wurde, wandelte ich meine Gestalt, kletterte auf Kades Rücken und passte mich seinem Rhythmus an, während er sich einen Weg durch den steinigen Fluss suchte.
Als wir schließlich den Fluss verließen, kündigten erste rosa- und goldfarbene Streifen am Himmel den Morgen an. Kade trat an den Rand eines einsamen Felsens. Vor uns erstreckte sich ein bewaldetes Tal, in dessen Mitte eine kleine Ortschaft lag. Beim Anblick des steilen Abgrunds flatterte mein Magen, und als ich mich von Kades Rücken gleiten ließ, sackten mir beinahe die Beine weg. Ich taumelte zurück.
Kade nahm menschliche Gestalt an. »Alles in Ordnung?« Ich holte ein paar Mal tief Luft und nickte. »Ich habe Höhenangst.« Insbesondere an Kliffkanten, denn man hatte mich einmal als Welpe von so einer Klippe geworfen. Er deutete hinunter auf die Stadt, die nun aus meinem Blickfeld verschwunden war. »Kommt dir das bekannt vor?« »Absolut nicht. Und dir?«
Er antwortete nicht gleich, sondern runzelte nachdenklich die Stirn. »Sind das Adler, die da über dem Ort kreisen?«
Ich beobachtete die zwei braunen Gestalten. Sie fühlten sich an wie einfache Adler, doch das war bei der Entfernung nicht weiter überraschend. Solange wir uns noch im Umkreis des Geländes befanden, durften wir nichts und niemandem trauen. »Es könnten Gestaltwandler sein. Vielleicht beobachten sie die Städte in der Nähe der Anlage.«
Er zog die Augen leicht zusammen, äußerte seine Bedenken jedoch nicht. »Also machen wir einen Bogen um die Stadt und laufen weiter?«
»Nein. Viel weiter kann ich nicht mehr laufen. Jedenfalls nicht, bis ich einen Kaffee getrunken habe.« Ich trat vorsichtig an den Rand der Klippe, so dass ich die Stadt sehen konnte, ohne den steilen Abgrund im Auge zu haben. Zwischen den Bäumen war gerade noch ein Haus mit einem Metalldach zu erkennen, vielleicht ein Lagerhaus oder so etwas.
»Was ist mit dem da?« Ich deutete auf das Haus. »Bis dorthin sollten wir es unbemerkt schaffen.« »Bis dahin sind es noch mindestens zwei Stunden.« Sein Blick glitt lüstern über meinen Körper. Es fühlte sich an wie eine Berührung und erregte mich. »Schaffst du das?«
Ich hatte doch schon gesagt, dass ich eigentlich am Ende war, aber ich konnte ja schlecht hierbleiben. Oder ihn bitten, mich zu tragen. Ein Pferd hätte man durch die spärlichen Bäume zu leicht erkannt. »Ich bin ein Wolf und stärker, als ich aussehe.« »Weiß ich.« Er verzog das Gesicht und rieb sich die Rippen, doch er schien keine wirklichen Schmerzen zu haben, sondern wirkte eher amüsiert. »Davon können meine blauen Flecken ein Lied singen.«
Ich musste lächeln. »Tut mir leid, aber ich habe keine Erfahrung im Reiten von Hengsten.« »Das sollten wir unbedingt ändern.« Über meinen Körper schwappte eine warme Welle, fast so, als flösse Quecksilber durch meine Adern. Ich hob eine Braue und erwiderte: »Und was, wenn wir dazu länger als eine Stunde brauchen?« »Dann bleibe ich eben so lange, bis du ausreichend trainiert bist.«
Eine nicht gerade betrübliche Vorstellung. Vor allem würde es meinen Bruder wahnsinnig machen, wenn Kade mir eine Weile Gesellschaft leistete. Nachdem er mich mit meinem Liebesleben bzw. nicht vorhandenen Liebesleben aufgezogen hatte, war es nur gerecht, dass ich ihm ein mahagonifarbenes Prachtexemplar von Mann vor die Nase setzte.
Kade lief voraus den Berg hinunter, und ich hielt den Blick auf seinen breiten muskulösen Rücken gerichtet. Mehr als einmal verknotete sich mein Magen ob des steilen Abstiegs, insbesondere als ich versehentlich einen Seitenblick in den Abgrund warf. Aber ich schaffte es bis nach unten, sogar ohne mich zu übergeben, und zitterte vor lauter Erleichterung.
Vielleicht war es auch die Erschöpfung, die sich nun bemerkbar machte.
Als wir endlich das Haus erreichten, stand die Sonne hoch am Himmel, meine Füße waren schwer wie Blei, und jeder Schritt kostete eine ungeheuere Überwindung. Kades Verfassung war jedoch kaum besser. Er stützte sich schwer auf einen Zaunpfahl und musterte das Haus. Seine Stirn und Wangen glänzten von Schweiß. »Ich kann niemanden hören. Kannst du jemanden riechen?«
Alles, was ich roch, war Eukalyptus und Schweiß – seinen und meinen. »Nein.« »Ich überprüfe die Garage, nimm du dir das Haus vor.«
Ich blickte hoch, um mich zu überzeugen, dass kein Adler über uns kreiste, löste den Riegel vom
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