Ringkampf: Roman (German Edition)
potenten Verehrer die Befriedigung, eine Künstlerin zu finanzieren.
Gustave Beauval tauchte die vorderste Spitze seines Silberlöffels in den hellen Sud und kostete. Das Süppchen vermochte seine mitleidige Anerkennung zu gewinnen. » Pas mal . Dafür, daß wir in Frankfurt sind, pas du tout mal .«
Jessica Johnson-Myer grinste. Ihr überproportioniertes Gesicht spannte sich dadurch noch weiter auf. »Gustave, ich glaube, wir sollten wieder einmal zusammen Burger essen gehen.«
»Jessica, au nom de Dieu! Erinnere mich bitte nicht daran! Ein zweites Mal wäre das Ende einer wunderbaren Freundschaft.«
Die Sängerin warf ihre rote Lockenmähne in den Nacken. Aus ihrer Kehle perlte Champagnerlachen. Ihr hochkarätiges Diamantcollier funkelte. » Oh Golfy, and I thought you were the worst Snob I ever knew .« Sie leckte ihren Löffel ab und stupste damit Zanassians feinflügelige Nase. Die Züge des Tycoons zerschmolzen wie Butter unter Steppensonne.
Bellini hob in künstlicher Verzweiflung die Hände. »Gustave, was soll man tun! Seien wir froh, daß sich Jessica immerhin abgewöhnt hat, vor jeder Arie yippiyeah zu schreien.«
Die Sängerin lachte mit den Männern gemeinsam. Ironische Anspielungen auf ihre Lasso- und Country- Vergangenheit trafen sie nicht. Im Gegenteil, sie war sogar stolz darauf, daß man ihr den hochdramatischen Sopran nicht an der Wiege gesungen hatte. Nie hatte sie ein Hehl daraus gemacht, daß sie auf einer Rodeo-Farm in Waxahachie, Texas, aufgewachsen und daß der Honky-Tonk -Schuppen ihres Onkels das Startloch ihrer musikalischen Laufbahn gewesen war.
Jessica Johnson-Myer musterte den Maestro gelassen. »Es stammt eben nicht jeder von einem berühmten Komponisten ab, Benito.«
Die Replik wehte eine zarte Verstimmung in Bellinis Miene. Doch die schwarzen Wolken vermochten sich nicht lange auf seiner Stirn zu halten. Die Feiertagslaune blies sie hinweg und ließ ihn wieder mit den anderen lachen.
Zanassian tupfte sich den Mund. »Meine Herren, Sie haben in allen Punkten recht. Jessica das kleine Einmaleins unserer abendländischen Zivilisation beizubringen hat mich mehr Mühe gekostet, als mein Windspiel das Dezimalrechnen zu lehren. Aber dafür ist sie die berückendste Wilde, die je aus diesem schrecklichen Kontinent zu uns gekommen ist.« Er hauchte der Sängerin einen Kuß in das klaftertiefe Dekolleté ihres Volantskleides.
Jessica Johnson-Myer versetzte seinen Hängebäckchen einen Klaps. »Golfy, ich finde, das Abendland benimmt sich heute abend sehr schlecht. Ich bin eine verheiratete Frau! Was soll denn Mr. Johnson denken!«
Obwohl ihre namensgebende Ehe mit dem Waffenfabrikanten Johnson schon einige Vermählungen zurücklag, nannte die Sängerin stets ihn als ihren Gatten. Seitdem ihr der Manager aus Publicitygründen davon abgeraten hatte, jedes Jahr die erste Hälfte des Nachnamens zu ändern, und diese also nicht mehr den aktuellen Stand der Eheschließungen widerspiegelte, hätte Jessica Johnson-Myer stets nachdenken müssen, mit wem sie gerade verheiratet war. Da ihr dies zu anstrengend erschien, war Mr. Johnson zum Synonym für ihren jeweiligen Gatten geworden.
Immer schneller flogen die Scherzworte zwischen ihr, Zanassian, Bellini und Beauval hin und her. Sie lachten solo oder im Duett, bildeten wechselnde Terzette, aber die meiste Zeit stieg ihr Gelächter im volltönenden Quartett empor.
Die Heiterkeitswogen brachen sich an dem steinernen Regisseur, der nur wenige Stühle vom Zentrum der Feierlichkeit entfernt saß. Mit widerwilligem Interesse beobachtete er den Star seiner Inszenierung. Mit halbem Ohr hörte er seiner Tischnachbarin, der neuen Frankfurter Kulturdezernentin, zu. Renate Krösch klärte ihn auf, wie wichtig es war, den Ring gerade und endlich wieder in Frankfurt zu spielen. Er nickte stumm und bückte sich nach der Serviette, die den fahrigen Händen der Kulturdezernentin zum wiederholten Mal entfallen war. Appetitlos zerquetschte er die letzten Venusmuscheln.
Cora Starneck hatte man am Rande der Festgesellschaft angesiedelt, wo die Berufs- und Amtstitel etwas weniger exklusiv, die Biographien etwas weniger extravagant, die Gespräche etwas weniger exaltiert waren. Ein Offenbacher Großmetzgereibesitzer und einfaches Mitglied des Patronatsvereins erzählte ihr lautstark, wie er als junger Bursch jeden Abend den Vorhang in der alten Frankfurter Oper gezogen hatte.
Die Dramaturgin wedelte mit ihrem leeren Weinglas. Der überkorrekte Ganymed weigerte
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