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Ringkampf: Roman (German Edition)

Ringkampf: Roman (German Edition)

Titel: Ringkampf: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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sich beharrlich, die Flasche Puligny-Montrachet auf dem Tisch zu lassen. Er schenkte ihr nach und schwebte mit seinem teuren Tropfen weiter.
    Die Servierpinguine räumten die Suppentassen so unauffällig ab, wie sie den Zwischengang, eine caille rôtie sur frisée , auftrugen.
    Jessica Johnson-Myer starrte entgeistert auf den Teller, der plötzlich vor ihr stand. Sie hob die caille aus ihrem Salatnest und ließ sie vor Zanassians Gesicht baumeln. »Golfy, bitte, was ist das!« Die Beinchen des Vogels waren so dürr, daß die Sängerin sie mit spitzem Daumen und Zeigefinger halten konnte.
    Der Mäzen schaute seine Göttin besorgt an. »Jessica, stimmt irgend etwas nicht? Dies ist eine Wachtel.«
    »So? Eine Wacktel ?« Mrs. Johnson-Myer legte das Tierchen auf sein Salatbett zurück. » Strange word «, murmelte sie. »Ich glaube nicht, daß ich diese Wacktel essen will.« Sie leckte ihre rotbenagelten Finger. Ihr Blick wurde feucht. Sie deckte den nackten Vogel mit einem anderen Salatblatt zu.
    »Aber Jessica, was hast du denn?« Unverständnis plusterte Egolf Zanassians Züge auf. »Probiere die Wachtel doch wenigstens einmal. Es ist eine echte Köstlichkeit.«
    Unterdrückte Tränen kräuselten die Stimme der Sängerin, die sich auf der Bühne niemals ein Tremolo erlaubte. »Ich kann nichts essen, was früher einmal gesungen hat.«
    Dem weichen Riesen blieb der Mund offen.
    »Oh Jessica«, stieß er hervor. »Du bist einmalig! Einfach unbezahlbar ! Das ist der phantastischste Witz, den ich seit Jahren gehört habe!« Er brach in vulkanisches Gelächter aus. »Würde am liebsten schon zum Frühstück blutige Steaks essen, aber weint, weil auf ihrem Teller ein gebratenes Federvieh liegt.« Er spie die Silben einzeln hinaus. »Übrigens, ich glaube, Wachteln singen gar nicht.« Sein Körper bebte. »Signore Bellini«, schnaufte er, »Signore Bellini! Wissen Sie, ob Wachteln Singvögel sind?«
    Der Maestro schmunzelte fein, während er seinen Bissen zu Ende kaute. »Mein lieber Herr Zanassian! Ich habe leider noch nie einen Vogelchordirigiert. Ich kann es Ihnen nicht sagen.«
    Gustave Beauval quittierte die Frage mit einem abwesenden Lächeln. Ihn beschäftigte das Jünglingssortiment, das sich für den nachfolgenden Festakt im engeren Kreis anbot. Sein Blick schweifte über die Gästereihen. Nicht allzu viele Gesichter saßen faltenlos auf den schwarzen oder weinroten Fliegen. An einem falten-, aber auch fliegenlosen Gesicht blieb er hängen.
    Ivan Jouvain, Bellinis geschaßter Assistent, rang an der Tür mit dem maître d’ . Sein hellblaues, kurzärmliges Sommerhemd war zerknittert und weit aufgeknöpft. Dunkle Ringe unterstrichen seine schönen Augen.
    Es gelang dem Kapellmeister, sich loszureißen. Kielwellen der Unruhe folgten ihm, als er auf den Maestro zuschlingerte. »Guten Abend, Benito, herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!« Seine Worte schaukelten wie Korkstückchen in Alkoholdünung.
    Bellinis Miene wurde kälter als der weiße Burgunder, an dem er nippte. »Ivan, das ist wirklich bezaubernd von dir, aber ich kann mich nicht erinnern, daß du eingeladen bist.«
    »So?« Der Kapellmeister schwankte. »Ein merkwürdiger Zufall. Ich kann mich auch nicht erinnern.«
    Der Maestro winkte einen Kellner herbei. »Würden Sie bitte so freundlich sein und den Signore hinausbegleiten! «
    »Selbstverständlich. Sofort.« Der Servierpinguin tippte Ivan Jouvain sachte an den Oberarm. Der Kapellmeister schlug zu.
    Schreie gellten durch den Saal. Die ausgefeilte Tischordnung geriet aus den Fugen. Glas und Porzellan gingen zu Bruch. Ein Kerzenleuchter kippte um und tränkte das schwere Tafeltuch mit Wachs. Aus der Nase des Kellners lief Blut. Mühsam richtete er sich auf. An seinem Ärmel klebten Salat- und Wachtelreste. Stammelnd entschuldigte er sich beim Feuilleton-Chef der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, auf dessen Teller er gestürzt war.
    Ivan Jouvain hatte nach einer zu Boden gefallenen Gabel gegriffen. Die Waffe fest umklammert, näherte er sich Bellini. Sein Knockout-Schlag hatte ihn nüchtern gemacht. »Benito, ich lasse mich von dir nicht abservieren wie ein Essen, das dir plötzlich nicht mehr schmeckt! An diesem Bissen sollst du ersticken!«
    »Ivan, ich warne dich.« Der Maestro zitterte zornesbleich. »Du wirst auf der Stelle verschwinden!«
    Unaufhaltsam, Schritt für Schritt verringerte der Kapellmeister den Abstand, der den Intendanten vor ihm schützte.
    Bellinis Stimme kippte. »Jemand schaffe mir

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