Ringwelt 03: Ringwelt-Thron
Jetztzeit entstanden, Hinterster?«
»Vor neunzig Stunden.«
Louis stellte die Frage, die er elf Jahre lang mit sich herumgetragen hatte.
»Willst du damit behaupten, Teela hätte gelogen? Warum?«
»Sie hat ohne ausreichendes Wissen gehandelt. Mit gesteigerter Intelligenz geht gesteigerte Arroganz einher, und Teela hatte nie sonderlich viel Feingefühl, Louis. Sie hätte das gleiche tun können wie ich, und sie hätte mit meinen Computern spielen können. Teela hat nie begriffen, wie exakt ich die Plasmablume zu steuern in der Lage war, die wir aus der Sonne gerissen haben. Ich habe sie direkt in die Korrekturdüsen auf dem Randwall gesteuert. Das Plasma hat die Oberfläche der Ringwelt nie getroffen. Die Strahlung, die Teela so fürchtete … die war natürlich weitaus stärker als das normale Hintergrundrauschen.«
»Der Randwall«, sagte Louis. Er begann dem Puppenspieler zu glauben.
»Ja, der Rand. Natürlich.«
»Und was haben die Schüttbergvölker deiner Meinung nach abbekommen?«
»Vermutlich habe ich auf einem Bogenausschnitt von fünf Prozent des Randwalls sehr viele getötet.«
Zehn Millionen, hundert Millionen Angehörige einer Spezies, der Louis Wu niemals begegnet war. Vielleicht sogar mehrerer Spezies. Trotzdem sagte er: »Hinterster, ich glaube, ich muß mich bei dir entschuldigen.«
Der Hinterste sang. Wahrscheinlich will er sicherstellen, daß es in seinen Aufzeichnungen ist, dachte Louis. Dann: »Da ist noch etwas, Louis. Siehst du den Mann auf dem Wagen, oben im Ausguck? Ist das ein Roter Herder?«
»Ja. Kleine rothäutige Fleischfresser. Sie lebten gar nicht so weit vom Randwall entfernt. Sehr schnelle Läufer übrigens.«
Der schwere Wagen raste plötzlich wie ein Blitz den Hang hinab. Schneller Vorlauf. Er wich mit Mach 5 Felsbrocken aus, während Wolken mit irrsinniger Geschwindigkeit über den Himmel trieben. Dann verschwand er in einem Labyrinth aus Steinen. »Ich verlor die Wagen eine Zeit lang aus den Augen«, sagte der Puppenspieler. »Fünfzehn Stunden später dann das hier.«
Ein kleiner rothäutiger Mann rannte mit mindestens Mach 12 am Ufer entlang. Louis lachte. »So schnell rennen sie auch wieder nicht.«
»Ist es der gleiche Mann?«
»Kann ich so nicht sagen. Laß die Aufnahme langsamer ablaufen.«
Der rote Mann bewegte sich nun mit einer Geschwindigkeit, von der ein Sprinter bei den Olympischen Spielen nur hätten träumen können. »Sieht so aus«, sagte Louis.
»Infrarot«, sagte der Hinterste. Ein grellroter Fleck schimmerte in dem virtuellen Fenster und erhellte die Dunkelheit von Louis’ Klippe. Der rothäutige Mann rannte mit unverminderter Geschwindigkeit weiter. Ein wärmerer Fleck huschte von Deckung zu Deckung, blitzte zwischen den Felsen auf – »Langsamer, Hinterster!« –, huschte in das Gestrüpp und … wo war er denn jetzt hin? Die Roten waren verdammt schnell, doch dieses Ding hielt nicht nur mit dem Roten mit, sondern brachte auch noch das Kunststück fertig, die meiste Zeit unsichtbar in Deckung zu bleiben!
Louis konnte nicht erkennen, welche Körperform das Wesen besaß.
»Louis«, erklang die Stimme des Hintersten, »wir haben beobachtet, wie drei Kriegsschiffe des Patriarchats abgeschossen wurden. Ich vermute, daß ein Protektor dahinter steckt. Kann es sein, daß wir es hier mit einem weiteren Protektor zu tun haben?«
»Warum nicht einfach ein Ghoul?«
Die roten Flecken huschten im Schnellen Vorlauf davon, und die Aufnahme wechselte wieder in das sichtbare Spektrum. Der Rote Herder rannte allein. In seiner Nähe ließ sich eine sporadische Bewegung erahnen, weiter nichts. Die Augen des Mannes blickten unentwegt umher.
Vor ihm sprang etwas aus der Deckung. Er riß das Schwert heraus – Pause.
Der grüne Lichtzeiger des Hintersten deutete auf zwei Objekte. »Der Rote Herder hier. Ein Vampir dort. Siehst du sonst noch etwas?«
»Gib mir Infrarot.«
Im infraroten Spektrum entdeckte Louis fünf rote Flecken. Im sichtbaren Licht …
Der grüne Cursor deutete auf die Stellen. »Roter Herder. Vampir. Das hier und das …« – der Hinterste zeigte auf die Stellen – »… sind Ghoule. Siehst du?«
Louis erinnerte sich an Ghoule. Obwohl die beiden im Schatten und zwischen den Büschen gut versteckt waren, erkannte er die schlaksigen Körperformen wieder.
Der fünfte Fleck jedoch versteckte sich sogar vor den Ghoulen. Louis erblickte eine Hand, die kleiner war als die eines Ghoules und fast haarlos. Die Hand eines alten Mannes.
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