Ringwelt 03: Ringwelt-Thron
Herren der Nacht bewegten sich durch grelles künstliches Licht. Valavirgilins Mannschaft hatte Schalter entdeckt, die Tegger übersehen hatte. Nachts waren die Ghoule in ihrem Element, doch heute Nacht mußten sie vor Helligkeit halb geblendet sein. Machte es ihnen etwas aus? Ghoule verließen sich wahrscheinlich zu einem guten Teil auf ihre Nasen.
Die Häuser entlang der Treppenstraße standen terrassenförmig übereinander. Es gab reichlich Deckung. Tegger verbarg sich hinter Mauern, Bäumen und Büschen und ließ den Ghoulen reichlich Vorsprung. Wo steckten sie nur?
Dort kamen sie aus einem zerbrochenen Fenster. Sie unterhielten sich leise in ihrer eigenen Sprache. Tegger hatte eine ganze Familie von Skeletten in diesem Haus entdeckt. Suchten die Ghoule etwa nach Aas? Sie würden nichts außer Knochen finden.
Am oberen Ende der Treppenstraße betraten sie die kuppelförmige Banketthalle. Auch hier gab es nichts für sie zu holen, wie Tegger sich erinnerte. Er wartete in einem leeren Swimmingpool und spähte über den Rand hinweg.
Die Ghoule kamen wieder zum Vorschein und setzten ihren Weg nach oben fort. Der höchste Punkt der Stadt, der gewaltige Schornstein, lag noch immer im Dunkeln. Würden sie hinaufklettern, um einen Blick auf ihr Reich zu werfen? Tegger schlich ihnen hinterher, doch er entdeckte keine dunklen Schatten, die sich vor der Nacht abhoben. Er wurde noch vorsichtiger.
Dann drang ein überraschend lautes Geräusch an seine Ohren. Ein Geräusch wie von gequältem Metall.
Er kletterte eine Leiter hinauf und spähte über einen Chemikalientank. Seine Gestalt verlor sich in einem Labyrinth aus Rohren.
Die Ghoule standen am Fuß des Schornsteins. Es war dunkel dort. Zu dunkel, um zu erkennen, was die beiden trieben. Tegger hörte ein Geräusch, als würden Ziegelsteine zersägt. Er glitt von der Leiter und schlich vorsichtig näher.
Sie suchten offensichtlich nicht nach Nahrung. Nach was dann? Er spähte hinter einer Radiatorwand hervor, und Trauriges Rohr packte ihn am Handgelenk.
Tegger vermied sorgfältig, mit der freien Hand in die Nähe seines Schwertes zu kommen. »Ich bin’s, Tegger!« flüsterte er.
»Es ist Tegger!« rief Trauriges Rohr gedämpft. Sie grinste ihn an und sagte: »Du hast ein paar Dinge verschlafen, Tegger. Valavirgilin ist sicher, daß es Scheinwerfer geben muß, die auf dieses Bauwerk unter uns gerichtet sind. Wir müssen sie lediglich einschalten. Wir glauben, daß Valavirgilin recht hat, aber wir glauben auch, daß die Schalter dort unten sind.«
»Was denn, im Brunnen?«
»Im Brunnen, auf der Bühne, in den Büros, auf der Rednertribüne. Wo auch immer. Sie wollten die Beleuchtung sicher selbst regeln. Valavirgilin hat das Kabel repariert, das die Sonnenstrahlen nach unten lenkt.«
»Sie hatten bestimmt auch einen Weg, nach unten zu gelangen«, sagte Harfner. Er war ganz leise herangekommen. Ghoule konnten selbst den Roten Herdern noch einiges beibringen, was das Pirschen betraf. »Ich dachte, wir könnten eine Treppe finden, irgendeinen Aufgang für Bewohner oder Gäste. Die Rampe kann es doch nicht sein …«
»Die Rampe diente Fahrzeugen. Menschen würden sich dort unwohl fühlen«, sagte Trauriges Rohr.
»Folglich suchten wir in der Nähe des Schornsteins nach einer Treppe, weil wir bereits wissen, daß er ziemlich tief hinunter reicht. Aber Trauriges Rohr hatte eine bessere Idee.«
»Der Schornstein führt in einen Ofen hinunter«, sagte Tegger.
»Er führt zu einer ganzen Menge Öfen überall in der Stadt. Unten im Schornstein sind überall Seitenkanäle. Wir haben nachgesehen.« Harfner grinste ihn fröhlich an und entblößte breite Zähne. »Kommst du mit? Oder willst du uns lieber hinterherschleichen?«
»Hier oben ist es langweilig«, sagte Tegger. »Nicht viel Ablenkung für einen hungrigen Roten Herder.«
»Das Problem hast du doch bereits gelöst«, entgegnete Harfner. »Du hast gegessen …«
»Komm endlich«, unterbrach ihn Trauriges Rohr. »Wir werden dich ablenken.« Sie gingen die Treppen hinunter in Richtung Banketthalle und entfernten sich wieder vom Schornstein. Trauriges Rohrs Hand hielt Teggers Handgelenk wie mit Schraubzwingen fest.
»Ich weiß selbst, was ich gegessen habe«, sagte Tegger.
»Ja, aber wem willst du es erzählen? Vielleicht deiner Gefährtin?«
»Ja.«
Trauriges Rohr blieb in der Tür stehen. »Im Ernst?«
»Natürlich. Ich werde Warvia alles erzählen.«
»Vier Vampire auf der Rampe«, sagte Harfner. »Du
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