Ringwelt 08: Der kälteste Ort
Aspirintabletten einzugeben, und schon war er unterwegs.
Danach holte ich die sechs wieder an ihren Tisch zurück und gab ihnen den Rat, sich nicht zu rühren. Eines der Mädchen hatte Schlaftabletten bei sich. Drei davon verabreichte ich dem Typ mit dem gequetschten Fuß.
Und dann warteten wir.«
»Ich wage kaum, danach zu fragen, aber auf was genau habt ihr gewartet?« wollte Masney wissen.
»Darauf, daß der Laden Feierabend machte!«
»Ach so, natürlich. Was dann?«
»Um 2 Uhr hörten unsere Kellner damit auf, uns Krabbencocktails und Kanapees Lorenzo zu servieren, und brachten uns unsere Rechnungen. Du kannst dir kaum vorstellen, was die von mir für die Krabbencocktails haben wollten … Wir bezahlten unsere Rechnungen und gingen, wobei wir den Kerl mit dem lädierten Fuß mitschleppten. Wir brachten ihn in ein Krankenhaus, und dann hängten wir uns ans Telefon und riefen jeden an, den wir kannten. Am nächsten Tag war das ›Herr Ober‹ wegen Reparaturarbeiten geschlossen. Es öffnete nie mehr seine Pforten.«
»Und was geschah mit Dreamer?«
»Er ist einer der Gründe, warum der Laden nicht mehr aufmachte. Er wurde nie gefunden.«
»Er konnte doch nicht so einfach verschwinden.«
»Konnte er das wirklich nicht?«
»Ist er denn verschwunden?«
»Manchmal glaube ich, er hat sich den ganzen Publicitywirbel zunutze gemacht und ist abgehauen. Vielleicht hat er irgendwo ein ganz neues Leben angefangen, ohne Vorstrafenregister. Und dann erinnere ich mich daran, daß er eine vollautomatische Küche betreten hatte, und zwar durch eine Tür, die nicht für Menschen gebaut worden war. Die verschiedenen Küchenmaschinen kamen mit ganzen Rinderhälften zurecht. Dreamer war ganz offensichtlich kein Roboter gewesen. Für was würde die Küchenmaschinerie ihn halten?«
Masney dachte darüber nach.
Es dämmerte Masney, während sie ihren Nachtisch verzehrten.
»Mmb!« sagte er. »Mmmbb!« und er schluckte heftig. »Du Schwindler! Du wurdest von der Mordkommission sofort auf den Stuhl des Polizeichefs gehievt. Du hattest niemals etwas mit der Abteilung für Betrugsabsicht zu tun!«
»Ich hatte mir gedacht, daß du irgendwann einmal darauf kommen würdest.«
»Aber warum hast du gelogen?«
»Du hast mich mit Fragen gelöchert, warum ich Robotkellner hasse. Ich mußte irgendetwas antworten.«
»Na schön. Du hast mich reingelegt. Aber jetzt mal ernsthaft, warum haßt du Robotkellner?«
»Das tue ich gar nicht. Du hast mich nur zum falschen Zeitpunkt gefragt. Ich dachte gerade, wie lächerlich unser Kellner in seinem bis zum Boden reichenden Minirock aussieht.«
DER MANTEL DER ANARCHIE
(ThHE CLOAK OF ANARCHY)
Mitten auf dem ehemaligen San Diego Freeway lehnte ich mich gegen eine riesige, knorrige Eiche. Die alte Rinde fühlte sich rau und pulverig auf meinem bloßen Rücken an. Dunkelgrüne Schatten durchzogen die schmalen, parallelen Strahlen aus weißem Gold. Langes Gras kitzelte meine Beine.
Vor mir lag eine weite Grasfläche, und dahinter, in etwa vierzig Metern Entfernung, stand eine Gruppe von Ulmen, und vor den Ulmen saß ein kleines Großmütterchen auf einer grünen Decke. Sie sah aus, als sei sie dort angewachsen. Sie hielt einen Grashalm zwischen den Zähnen. Ich spürte in ihr eine verwandte Seele, und einmal, als unsere Blicke sich trafen, winkte ich ihr mit dem Zeigefinger zu, und sie winkte zurück.
In einer Minute würde ich aufstehen müssen. Till wollte mich in einer halben Stunde am Wiltshire-Ausgang treffen. Aber ich hatte meinen Spaziergang am Sunset-Boulevard-Zubringer begonnen, und ich war müde. Noch eine Minute …
Es war ein guter Ort, um zuzusehen, wie die Welt sich drehte.
Und auch ein guter Tag. Überhaupt keine Wolken. An diesem heißen, blauen Sommernachmittag war der King’s-Freipark so belebt wie selten.
Irgendjemand im Polizeihauptquartier hatte damit gerechnet. Doppelt so viele Monitore wie gewöhnlich hingen am Himmel und warteten. Goldene Kugeln auf blauem Grund, so groß wie Basketbälle, dreieinhalb Meter hoch. Jede von ihnen mit einem Fernsehauge und einem Paralysator ausgestattet, jede von ihnen direkt mit dem Polizeihauptquartier verbunden. Sie waren anwesend, um dem Gesetz des Parks Geltung zu verschaffen: Keine Gewalt.
Niemand durfte seine Hand gegen einen anderen erheben – mehr Gesetze gab es nicht. Das Leben in einem Freipark war oft recht unterhaltsam.
Im Norden, auf Sunset zu, ging ein Mann mit einem weißen, rechteckigen Schild, das auf
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