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Ringwelt 08: Der kälteste Ort

Ringwelt 08: Der kälteste Ort

Titel: Ringwelt 08: Der kälteste Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Larry Niven
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beiden Seiten leer war. Er marschierte vor einem verbissenen jungen Mann auf einem Plastikbehälter hin und her, der ihm einen Vortrag über Kernverschmelzung und die Probleme der Abwärmebelastung hielt. Selbst auf die Entfernung konnte ich die Überzeugung und den Eifer in seiner Stimme hören.
    Im Süden warf eine Hand voll wild schreiender Typen mit Steinen nach einem Monitor. Der goldene Basketball wich den Steinen aus, allerdings immer nur knapp. Irgendein schwarzhaariger Fanatiker schien sie dazu angestiftet zu haben. Ich fragte mich, woher sie wohl die Steine hatten. Steine waren selten im King’s-Freipark.
    Der schwarzhaarige Mann kam mir irgendwie bekannt vor. Ich sah zu, wie er und seine Horde das Wachauge hetzten … dann vergaß ich sie, weil ein Mädchen aus einer Ulmengruppe hervorschritt.
    Sie war fantastisch. Lange, vollkommene Beine, dunkelrotes Haar, das ihr über die Schultern fiel, das Gesicht eines unnahbaren Engels und ein Körper so perfekt, daß er unwirklich erschien wie der Traum eines Jünglings. Ihr Gang verriet Übung; vielleicht war sie ein Mannequin oder eine Tänzerin. Ihr einziges Kleidungsstück war ein wehender Mantel aus leuchtend blauem Taft.
    Er war fünfzehn Meter lang, dieser Mantel. Er hing an zwei großen goldenen Scheiben, die irgendwie an ihren nackten Schultern befestigt waren. Er zog sich lang und länger bis zu seiner Gänze in etwa anderthalb Meter Höhe hinter ihr her und drehte und wand sich, um ihrem Pfad durch die Bäume zu folgen. Sie wirkte wie eine Illustration in einem Märchenbuch, wenn man berücksichtigt, daß die ursprünglichen Märchen nicht für Kinder gedacht waren.
    Und das war sie gewiß nicht. Man konnte überall im Park die Nackenwirbel knacken hören. Selbst die Steinewerfer hatten innegehalten, um ihr nachzusehen.
    Sie spürte die Aufmerksamkeit oder hörte sie im Raunen und Seufzen der Anwesenden. Das war es, wofür sie hier war. Mit einem herablassenden Engelslächeln auf ihrem Engelsgesicht schritt sie vorbei; sie übertrieb ihre Bewegung nicht, sondern ließ sie fließen.
    Ihr Weg wand sich hin und her, unabhängig davon, ob es Hindernisse zu vermeiden gab, so daß fünfzehn Meter wehender Seide ihrer gewundenen Spur folgen konnten.
    Ich lächelte, als ich ihr nachsah. Sie war auch von hinten schön, mit Grübchen am Po.
    Der Mann, der sie ein Stückchen weiter ansprach, war derselbe, der die Steinewerfer angestachelt hatte. Er besaß wildes schwarzes Haar, einen gleichartigen Bart, war hohlwangig und hatte tief liegende Augen, ein verlegenes Lächeln und eine schüchterne Haltung … Ron Cole. Natürlich.
    Ich konnte nicht hören, was er zu dem Mädchen mit dem Mantel sagte, aber ich sah das Ergebnis. Er zuckte zusammen, dann wandte er sich abrupt um und ging mit niedergeschlagenen Augen fort.
    Ich stand auf und ging, um ihn abzufangen. »Nimm’s nicht persönlich«, sagte ich.
    Er sah überrascht auf. Seine Stimme klang verbittert. »Wie soll ich es dann nehmen?«
    »Sie hätte jeden auf dieselbe Weise abblitzen lassen. Sie ist zum Ansehen, nicht zum Anfassen.«
    »Du kennst sie?«
    »Ich habe sie nie in meinem Leben vorher gesehen!«
    »Dann …?«
    »Ihr Mantel. Du mußt doch ihren Mantel gesehen haben.« Das Ende ihrer Schleppe zog an uns vorbei, seine Falten schimmerten in einem unwahrscheinlich tiefen, satten Blau. Ronald Cole lächelte, als ob der Anblick seine Augen schmerzte. »O ja.«
    »Siehst du? Nun stell dir vor, du sprichst sie an, und stell dir weiter vor, die junge Dame findet dich nett und geht darauf ein. Was macht sie dann? Wenn man bedenkt, daß sie auch nicht eine Sekunde stehen bleiben kann.«
    Er ließ es sich erst durch den Kopf gehen, dann fragte er: »Warum nicht?«
    »Wenn sie stehen bleibt, ist die ganze Wirkung dahin. Ihr Mantel hängt einfach da wie ein nasser Sack. Er ist dazu da, um zu schweben. Wenn sie sich hinlegt, wird die Sache noch schlimmer. Ein Mantel, der meterhoch durch die Luft weht und dann in den Büschen verschwindet und auf und nieder hüpft …« Ron lachte hilflos im Falsett. Ich sagte: »Siehst du? Ihre Zuschauer würden in Kichern ausbrechen. Und darauf ist sie ganz und gar nicht aus.«
    Er wurde nüchtern. »Aber wenn sie es wirklich wollte, dann wäre es ihr egal, ob … oh. Ich verstehe. Sie muß ein Vermögen dafür ausgegeben haben.«
    »Und ob. Sie würde nicht einmal für Casanova selbst Halt machen.« Ich bedachte das Mädchen in Gedanken mit ein paar unfreundlichen Bemerkungen. Es

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