Ringwelt 12: Weltenwandler
Puppenspieler steckten auch hinter diesen Unruhen wegen der Fruchtbarkeitsgesetze – gewiss, um Sigmund von seiner Suche abzulenken.
Der physikalische Aspekt des Ganzen machte Sigmund ganz schwindelig. Womit ich mich wirklich auskenne, dachte Sigmund, ist Geld. Er musste noch tiefer graben. Wenn Julian Forward die Wahrheit erzählt und ihm das Institut tatsächlich die Forschungsgelder gestrichen hatte, wer hatte ihn denn zuletzt finanziert? Jinx, nur eben insgeheim? Pelton? Die Puppenspieler?
Sigmunds Gedanken überschlugen sich, wirr und unvollständig. Wie Wasser, das gluckernd einen Abfluss hinabrann. Wie acht unschuldige Besatzungsmitglieder, und die alles andere als unschuldige Besatzung dieser Raumschlepper, und Angel und Julian Forward und alle anderen, die sich auf dem Asteroiden befunden hatten – allesamt in ein schwarzes Loch gerissen und verschwunden.
Tagelang alleine, und er konnte nichts anderes tun als zu grübeln …
Später wurde berichtet, Sigmund habe nur Unsinn geredet und ins Leere gestarrt – völlig dehydriert und unterernährt –, als ein ARM-Kreuzer den Kurs anpasste, längsseits ging und die Hobo Kelly bordete. Nur vereinzelte Worte und kurze Satzbruchstücke, so hieß es, seien verständlich gewesen: Neutronium. Jinx. Verschwörung. Verschlagene Puppenspieler, irgendetwas über Geheimnisse im Norden. Und eine Formulierung, die immer wiederkehrte …
Keine Raumschiffe mehr.
FLAUTE
ERDJAHR 2652-2653
KAPITEL 35
Das Krankenhaus fühlte sich völlig unirdisch an.
Langsam schritt Sigmund den Korridor hinab. Immer wieder stürzten unvertraute Reize auf ihn ein. Klinische Gerüche. Gespräche im Flüsterton. Helle Wände, ein heller Fußboden, damit man Verschmutzungen sofort bemerkte, oder … Sigmund zog es vor, nicht darüber nachzudenken, welchen Grund diese Farbgebung noch haben mochte. Die Nackenhaare stellten sich ihm auf, die Gänsehaut wollte sich überhaupt nicht mehr legen. Ich bin schon zweimal fast gestorben, dachte Sigmund. Und in beiden Fällen ist ein Autodoc damit klargekommen. In ein Krankenhaus kam man einfach nicht, es sei denn, man wäre ernstlich krank.
So wie Carlos.
Aus Carlos’ Krankenzimmer war Stimmengewirr zu hören. Gelächter. Das klang doch beruhigend. Sigmund klopfte gegen den Türrahmen.
»Schön, dass du dich zu uns gesellst«, sagte Feather. Sie war reizbarer denn je, seit Sigmund dieses interstellare Abenteuer hinter sich gebracht hatte. Sie wusste tanj verdammt noch mal ganz genau, warum Sigmund sich weigerte, Transferkabinen zu nutzen – und dass er das Thema ›Cerberus‹ in Gegenwart von Carlos keineswegs ansprechen würde.
Feathers Stichelei war nur eine weitere Technik, ihn zu drangsalieren. Sigmund ignorierte es genauso, wie er versuchte, die zahllosen Schläuche und Instrumente zu ignorieren, an die Carlos angeschlossen war. Ein Schlaffeld hielt das Physikgenie in der Luft. »Sie sehen viel besser aus.«
»Ein aufmerksamer Wächter tut gut.« Carlos’ Stimme klang immer noch unnatürlich rau, und während er sprach, hörte man in seiner Lunge Flüssigkeit gluckern. »Ich bin froh, dass Feather hier ist.«
Sie war wenige Stunden vor Sigmund eingetroffen. Das Krankenhaus befand sich in Melbourne, und mit Teleportation war man allemal schneller als durch kurze Suborbital-Sprünge. Carlos hatte in einem Autodoc des Krankenhauses gelegen und geschlafen, während ihn rund um die Uhr Spezialisten beobachtet hatten – monatelang. Das Klonen von Lungen-Sonderanfertigungen dauerte nun einmal seine Zeit.
»Und wie sieht Ihre Prognose aus?«, erkundigte sich Sigmund.
»Man hat mir gesagt, sie sei gut.« Keuchen. »Ist ja auch meine eigene Schuld, dass ich so angeschlagen bin.«
»Das ist ja wohl eher die Schuld von Julian Forward«, nahm Feather das Genie in Schutz.
Das stimmte zweifellos, und jeder im Raum wusste es auch. Trotzdem war das hier nicht der richtige Ort, um über Forward zu sprechen. Und das wusste auch Carlos. »Was meinen Sie damit, Carlos?«
Keuchen. »Zuerst einmal haben mich meine angeblich doch ach so perfekten Gene hier im Stich gelassen. Eigentlich sollten auch normale Ersatzteile aus dem Autodoc funktionieren!«
Bei den meisten Menschen war das auch so. Doch Carlos wäre im Autodoc der Hobo Kelly beinahe gestorben. Sein Körper hatte sämtliche Ersatzlungen an Bord des Schiffes abgestoßen, und er hatte auch sämtliche Immunosuppressiva verbraucht, noch bevor sie die Umlaufbahn des
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