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Rio Reiser - Das alles und noch viel mehr

Rio Reiser - Das alles und noch viel mehr

Titel: Rio Reiser - Das alles und noch viel mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hollow Skai
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Unternehmer Radio Bremen vor, unausgewogen und linkslastig zu sein, weil der Sender seine Single Alles Lüge gespielt hatte, mit der er sich über den Papst lustig machte: »Es ist wahr, dass der Papst zwar die Pille nicht nimmt, aber trotzdem keine Kinder kriegt.« Karel Wojtyla war in seinen Augen ein »Verbrecher« und »übler Zeitgenosse«, der »wie ein Industriekapitän« denke und »ein guter Manager für diese kriminelle Vereinigung« sei, die seinen Vorgänger Johannes Paul I. beseitigt habe. Den »lachenden Papst« hatte er geliebt, weil er erklärt hatte, Gott sei sowohl Vater als auch Mutter.
    Immerhin schaffte es seine erste Solo-LP bis auf Platz 26 der Charts und verkaufte sich sechsstellig, ohne jedoch an Alben von Herbert Grönemeyer, Ulla Meinecke oder Bap ranzureichen, die Rio im Herbst 1986 im Musikexpress attestierten, die besten deutschsprachigen Texte zu schreiben. (Bei der Wahl der »50 besten deutschen Platten«, die 2001 vom Musikexpress veranstaltet wurde, landete Rio I. auf Platz 19, das Scherben-Album Keine Macht für Niemand hingegen auf Platz 4.)
    Als die erste Single, Alles Lüge , daraus ausgekoppelt wurde, stellte er unter anderem aus Musikern der Stricher, die sich schon vor einiger Zeit aufgelöst hatten, rasch eine Playback-Band zusammen, die ihn künftig bei Fernsehauftritten begleitete. Die machten gerne den Hampelmann für ihn und wurden ja auch prima dafür bezahlt, wie sich ihr Bassist Jochen Hansen erinnert.
    Playback zu singen war eine Zumutung für einen so begnadeten Sänger, wie Rio es war, doch das war halt »part of the deal«. Nach der Auflösung der Scherben hatte er sich gesagt, wenn er jetzt was mache, dann wolle er es aber auch richtig machen: »Dann gib ihm, und dann soll wirklich in allen Zeitungen mein Name drinstehen.«
    Für den typischen Single-Käufer war er jedoch zu sperrig. Sein Aussehen, seine Art und seine Haltung waren nicht »breitenkompatibel«, wie Braum schon damals fand, und er sei auch keine Rampensau wie Die Ärzte, Die fantastischen Vier oder Selig gewesen, deren Konzerte nicht nur die eingefleischten Fans mitgerissen hätten. Hinzu kam, dass er »ein richtiges Drogenproblem« gehabt habe und zum Leidwesen der weiblichen Fans »100 Prozent homosexuell« war. Mit dieser Meinung stand Braum nicht allein auf weiter Flur. Um nicht Gefahr zu laufen, ebenso geschnitten zu werden wie Markus Linde, behielt er sie aber tunlichst für sich und sah zu, wie Rio und sein Manager »mit der Keule, mit der Brechstange« etwas erzwingen wollten, »was nicht zu erzwingen ist« – ein Hit, wie ihn Herbert Grönemeyer mit Männer vorgelegt hatte.

    Alles verändert sich

21 Over The Rainbow
    Einer der ersten Fernsehauftritte wurde Anfang Mai 1986 in der Garbsener Diskothek KU aufgezeichnet. Bei der ZDF-Show Rock-Pop-MusicHall trat er im Anschluss an das tapsige Ex-Soldaten-Duo Bruce & Bongo auf, das mit seinem Hit Geil für schenkelschlagende Stimmung in der halb vollen Bude gesorgt hatte. Rio schürzte gleich zu fünf Titeln seiner LP die Lippen, unterstützt vom Perkussionisten F.M. Einheit, der zuvor bei Abwärts und den Einstürzenden Neubauten, aber auch auf Rio I. gelärmt hatte. Rio fand es lustig, im gleichen Raum wie Modern Talking geschminkt zu werden, und juxte vergnügt, als er gleich nach dem Auftritt von George Glueck hinauseskortiert wurde, weil er »Nora« alias Thomas Anders gesehen hatte. So musste Dieter Bohlen die Pulle Lindener Bier allein trinken, während alle anderen Musiker den laufenden Meter Samantha Fox anstarrten.
    Beim 5. Anti-Waahnsinns-Festival gegen die Wiederaufbereitungsanlage für »Atommüll« in Wackersdorf sang Rio endlich mal wieder live. Gemeinsam mit Herbert Grönemeyer und Alphavilles Marian Gold Sag mir, wo die Blumen sind und am Ende des 28-stündigen Protest-Song-Marathons auch solo. Seine Version von Judy Garlands Over The Rainbow (aus dem Musicalfilm The Wizard Of Oz ) wurde von Kritikern allerdings unterschiedlich bewertet. Während Karen Cop im Musikexpress meinte, er habe den Song vergewaltigt und »wie Dickdarm von innen« gewürgt, schrieb Eleonore Büning am 6. August 1999 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung in einer Rezension des posthum veröffentlichten Albums Am Piano II , auf dem diese Version enthalten ist: »Auf das Wort ›Over‹ setzt er eine Brücke aus glatt sechs Sekunden ausgehaltenem Fortissimo-Ton, Pavarotti-gleich protzend mit seiner Stimmbandpotenz: ein Regenbogen aus purer Sängerlust.

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