Ripley Under Ground
gehalten, ihn vor der Abreise nicht mehr anzurufen, weil es sonst so ausgesehen hätte, als bemühe er sich, den polizeilichen Anordnungen Folge zu leisten. Ein Unschuldiger hätte nicht angerufen, so hatte er argumentiert.
Er trank mit Heloise Tee.
»Noëlle möchte wissen, ob wir Dienstag zu einer Party zu ihr kommen können«, berichtete Heloise. »Sie hat Geburtstag.«
Noëlle Hassler war Heloises beste Freundin in Paris, und ihre Parties waren bezaubernd. Aber Tom hatte innerlich Pläne gemacht, nach Salzburg zu fahren, sofort, weil – vielleicht war Bernard dort. Die Heimat des jungen Mozart, der ebenfalls jung gestorben war. »Du mußt hingehen, mein Schatz. Ich weiß noch nicht, ob ich hier bin.«
»Wieso –?«
»Weil ich – weil ich vielleicht nach Salzburg fahren muß.«
»Nach Salzburg – in Österreich? Doch nicht, um wieder nach diesem fou zu suchen? Nächstens wirst du nach China fahren wollen!«
Tom blickte unruhig auf das Telefon. Mrs. Murchison wollte doch anrufen, aber wann? »Hast du Mrs. Murchison eine Telefonnummer in Paris gegeben, unter der sie mich erreichen könnte?«
»Ja«, sagte Heloise. »Die Nummer habe ich mir ausgedacht.« Sie sprach immer noch französisch, und er merkte, wie der Groll in ihr aufzusteigen begann.
Wieviel wohl konnte er Heloise ohne Risiko erklären? »Und was hast du gesagt, wann ich wieder zu Hause wäre?«
»Das wüßte ich nicht, habe ich gesagt.«
Das Telefon klingelte. Wenn das Mrs. Murchison war, dann rief sie aus Orly an.
Tom stand auf und sagte eilig auf Englisch, weil jetzt Mme. Annette ins Zimmer kam: »Hör zu, mein Liebes; worauf es ankommt, ist, daß ich nicht in London war. Sag also gar nichts von London, falls wir Mrs. Murchison treffen müssen.«
»Kommt sie etwa hierher?«
»Hoffentlich nicht.« Tom nahm den Hörer auf. »Hallo . . . ja . . . ja, guten Tag, Mrs. Murchison.« Sie wollte gern herkommen und ihn sprechen. »Ja, passen würde mir das schon, aber wäre es Ihnen nicht lieber, wenn ich nach Paris käme? . . . Ja, es ist noch ein ganzes Stück, weiter als von Orly nach Paris, wissen Sie . . .« Es nützte alles nichts. Vielleicht hätte er es ihr noch ausreden können, wenn er den Weg als möglichst schwierig beschrieb, aber er wollte der armen Frau das Vorhaben nicht noch weiter erschweren. »Dann ist es am besten, Sie nehmen ein Taxi.« Er beschrieb ihr den Weg zum Haus.
Jetzt zu Heloise. Tom versuchte ihr zu erklären, daß Mrs. Murchison in einer Stunde ankommen werde und mit ihm über ihren Mann sprechen wolle. Mme. Annette hatte das Zimmer verlassen, er konnte also Französisch sprechen; aber es hätte ihm auch nichts ausgemacht, wenn die Haushälterin gelauscht hätte. Vor Mrs. Murchisons Anruf hatte er kurz daran gedacht, Heloise zu erzählen, warum er nach London gefahren war, daß er dort zweimal die Rolle des Malers Derwatt gespielt hatte, der nicht mehr am Leben war. Aber dies war nicht der richtige Augenblick für einen solchen Bericht. Erstmal mußte er Mrs. Murchisons Besuch einigermaßen hinter sich bringen, dann konnte man weiter sehen. Zuviel auf einmal durfte man auch von Heloise nicht verlangen.
»Was ist denn eigentlich passiert mit ihrem Mann?« fragte Heloise.
»Das weiß ich nicht, mein Herz. Aber sie ist nun in Frankreich und möchte natürlich mit dem Mann sprechen, der –« Tom wollte nicht sagen: der ihren Mann als letzter gesehen hat. »Sie möchte gern das Haus sehen, weil ihr Mann hier zuletzt gewesen ist. Von hier aus habe ich ihn nach Orly gebracht.«
Heloise erhob sich mit einer leichten Bewegung der Ungeduld. Sie war nicht so töricht, jetzt eine Szene zu machen, zu toben oder sonstwie den Kopf zu verlieren. Das konnte später noch kommen.
»Ich weiß schon, was du sagen willst: du willst sie nicht den ganzen Abend hier haben. Schön, wir werden sie nicht zum Essen bitten – wir können ja sagen, wir seien eingeladen. Aber irgend etwas muß ich ihr anbieten – Tee oder einen Drink oder beides. Ich schätze, sie wird höchstens eine Stunde hier sein, und ich werde alles mit Anstand abwickeln.«
Heloise fügte sich.
Tom ging nach oben in sein Zimmer. Mme. Annette hatte seinen Koffer schon ausgepackt und alles weggelegt, aber ein paar Sachen waren nicht an ihrem üblichen Platz; er ordnete sie also wieder so, wie sie immer lagen, wenn er wochenlang zu Hause war. Dann duschte er, zog graue Flanellhosen, Hemd und Pullover an und nahm ein Tweedjackett aus dem Schrank für den Fall, daß Mrs. Murchison sich
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