Ripley Under Ground
vorstellen, daß das dort erreichbares Fleisch war, unter den Höschen, die nichts sehen ließen als feste Säume und darunter manchmal noch weitere Spitzenschlüpfer? Brüste bekam man zu sehen, wenn sich die Mädchen niederbeugten, um sich Zigaretten zu holen. Welche Mädchenhälfte war nun zum Betrachten da? Toms Blicke wanderten höher und stießen auf braungeränderte Augen. Ein farbloser Mund unter den Augen sagte:
»Derwatt – können Sie mir erzählen, wo Sie wohnen in Mexiko? Ich erwarte keine richtige Antwort, eine halbrichtige tut´s auch.«
Durch seine Fensterglasbrille betrachtete Tom sie mit nachdenklichem Erstaunen, so als sei ein Teil seines berühmten Gehirns mit ihrer Frage beschäftigt. In Wirklichkeit langweilte sie ihn. Wieviel hübscher war Heloise anzusehen, mit Kleidern bis knapp über die Knie, ohne Make-up und Augenwimpern, die wie Speere auf ihn gerichtet waren. »Nun ja – hm«, sagte er überlegend, aber er überlegte gar nichts. »Südlich von Durango.«
»Wo liegt das, Durango?«
»Nördlich von Mexico City. Nein, den Namen meines Dorfes kann ich Ihnen natürlich nicht sagen – es ist ein langer aztekischer Name. Ah haha.«
»Wir sind auf der Suche nach einem kleinen unberührten Ort. Wir: das ist mein Mann, Zach, und unsere beiden Kinder.«
»Versuchen Sie es doch mal mit Puerto Vallarta«, schlug Tom ihr vor. Vor weiteren Fragen rettete ihn Ed Banbury, der ihm aus einiger Entfernung einen Wink gab. »Entschuldigen Sie«, sagte Tom und erhob sich aus dem Sessel.
Ed meinte, es sei Zeit zum Gehen, und Tom fand das auch. Jeff war noch dabei, die Runde zu machen; er lächelte alle freundlich an und redete lebhaft. Gut so, dachte Tom. Junge und nicht mehr ganz junge Männer betrachteten Tom; vielleicht hatten sie nicht recht den Mut, ihn anzureden, oder vielleicht wollten sie gar nicht.
»Wollen wir gehen?« fragte Tom, als Jeff zu ihnen trat. Tom bestand darauf, sich vom Gastgeber zu verabschieden, mit dem er während der Stunde, die sie hier waren, überhaupt noch nicht gesprochen hatte. Michael war der Mann in dem schwarzen Pelzanorak; die Kapuze hatte er nicht aufgesetzt. Er war nicht sehr groß und hatte kurzgeschnittenes wirklich die wahnsinnig gefreut, daß Sie gekommen sind, und ich bin schwarzes Haar. »Derwatt, Sie waren Krone meines Abends! Ich habe mich diesen beiden Kerls da schrecklich dankbar –«
Der Rest ging im Lärm unter. Allgemeines Händeschütteln, dann schloß sich die Tür.
»Na also«, sagte Jeff halb umgewandt, als sie die sichere untere Etage erreicht hatten. Der Rest kam im Flüsterton. »Der einzige Grund, warum wir zu dieser Party gegangen sind, ist, weil die Leute völlig bedeutungslos sind.«
»Ach – so ganz doch nicht«, wandte Ed ein. »Es sind immerhin Leute. Ein weiterer Erfolg.«
Tom sagte nichts dazu. Es stimmte ja: niemand hatte ihm den Bart abgerissen.
Sie setzten Ed unterwegs mit dem Taxi ab.
Am nächsten Morgen frühstückte Tom im Bett – das hatte sich Jeff als kleine Entschädigung dafür ausgedacht, daß er durch den Bart essen mußte. Dann mußte Jeff ausgehen und etwas aus einem Fotomaterialgeschäft holen. Bis halb elf wollte er zurück sein, obgleich er natürlich Tom nicht zur Bushaltestelle nach West Kensington bringen konnte. Es wurde elf Uhr. Tom ging ins Badezimmer und begann vorsichtig die Gaze von seinem Gesicht abzumachen.
Das Telefon klingelte.
Sein erster Gedanke war, einfach nicht hinzugehen. Aber das hätte vielleicht etwas merkwürdig ausgesehen – als ob er Angst hätte –?
Tom wappnete sich für ein Gespräch mit Webster und sagte mit Derwatts Stimme: »Hallo? Ja –?«
»Ist Mr. Constant da? Oder ist das Mr. Derwatt? Ah ja – hier ist Inspektor Webster. Was haben Sie nun für Pläne, Mr. Derwatt?« Die Stimme klang freundlich wie immer.
Tom hatte keinerlei Pläne für Inspektor Webster. »Oh – ich nehme an, diese Woche werde ich wohl abreisen. Zurück an den heimischen Herd.« Tom lachte leise. »Und zur Ruhe.«
»Ob Sie mich wohl anrufen würden, bevor Sie abreisen, Mr. Derwatt?« Webster gab ihm die Nummer der Zentrale und die seines Apparates, und Tom notierte sie.
Jetzt kam Jeff zurück. Tom stand schon fast mit dem Koffer in der Hand da; er wollte sofort gehen. Der Abschied war kurz, von Seiten Toms sogar oberflächlich, obgleich beide sehr wohl wußten, daß sie mit ihrem weiteren Geschick völlig aufeinander angewiesen waren.
»Auf Wiedersehen. Mach´s gut.«
»Wiedersehen.«
Webster sollte der Teufel
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