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Ripley Under Ground

Ripley Under Ground

Titel: Ripley Under Ground Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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holen.
Es dauerte nicht lange, und Tom saß in dem Flugzeugkokon, inmitten der synthetischen eingeschlossenen Atmosphäre lächelnder Hostessen, alberner gelber und weißer Karten, die man auszufüllen hatte, und unangenehm naher Ellbogen in dunkler Kleidung, die ihn abstießen. Er hätte doch erster Klasse fliegen sollen.
Mußte er eigentlich irgend jemandem mitteilen, wo er – als Tom Ripley – gewohnt hatte in Paris? Zumindest gestern abend? Tom hatte einen Freund, der zu jeder Bezeugung bereit gewesen wäre, aber er wollte nicht noch mehr Leute in die Sache hineinziehen. Es waren schon reichlich viele.
Die Maschine startete und stellte sich auf den Schwanz. Wie war es bloß langweilig, mit einer Geschwindigkeit von ein paar hundert Meilen per Stunde durch die Luft zu jagen, wenig zu hören und die armen Leute da unten dem Lärm auszusetzen. Nur die Eisenbahn faszinierte Tom, vor allem Expreßzüge aus Paris, die auf glatten Schienen am Bahnhof Melun vorbeirasten – so schnell, daß man die französischen und italienischen Aufschriften an den Wagen nicht lesen konnte. Einmal hatte Tom einen Schienenweg an einer verbotenen Stelle überqueren wollen. Auf den Schienen war nichts zu sehen, und der Bahnhof war still. Er hatte sich dann entschlossen, es lieber nicht zu riskieren, und fünfzehn Sekunden später waren zwei chromblitzende Expreßzüge in höllischem Tempo aneinander vorbeigerast, und Tom hatte sich vorgestellt, wie es gewesen wäre, wenn er zwischen ihnen zermalmt worden wäre, wie sie ihn und seinen Koffer in beiden Richtungen meterweit in den Sand geschleudert hätten, ganz und gar unkenntlich. Daran mußte er jetzt denken, als er im Flugzeug saß und sich wand bei der Erinnerung. Zum Glück war wenigstens Mrs. Murchison nicht mit in dieser Maschine. Er hatte sich nach ihr umgesehen, als er einstieg.
21
    Jetzt kam Frankreich, und als die Maschine herunterging, begannen die Baumwipfel auszusehen wie braune und dunkelgrüne Knoten in einem Gobelin oder wie die eingewebten Frösche in Toms Morgenrock, der zu Hause hing. Tom saß in seinem häßlichen neuen Regenmantel auf seinem Platz. Dann kam Orly; der Paßbeamte warf einen Blick auf ihn und auf das Foto von Robert Mackay, stempelte aber nichts, genau wie auf der Ausreise von Orly nach London. Gestempelt wurde offenbar nur in London. Tom passierte den Durchgang »Nichts zu verzollen« und stieg in ein Taxi, das ihn nach Hause brachte.
    Kurz vor drei war er in Belle Ombre. Im Taxi hatte er sein Haar wieder wie üblich gescheitelt. Den Regenmantel trug er über dem Arm.
    Heloise war da. Die Heizung war angestellt, Möbel und Fußböden schimmerten, und Mme. Annette trug seinen Koffer nach oben. Dann küßte er Heloise.
    »Was hast du in Griechenland gemacht?« fragte sie leicht besorgt. »Und dann noch in London?«
»Ach, ich hab mich umgesehen«, gab er lächelnd zur Antwort.
»Nach diesem fou ! Hast du ihn gefunden? Was macht dein Kopf?« Sie drehte ihn an der Schulter zu sich herum.
Die Wunde schmerzte kaum noch. Tom war erleichtert, daß Bernard inzwischen hier nicht aufgetaucht war und Heloise in Angst versetzt hatte. »Du – hat die Amerikanerin angerufen?«
»Ja, hat sie. Mme. Murchison. Sie kann etwas Französisch, aber es klingt komisch. Heute morgen hat sie aus London angerufen. Sie kommt heute nachmittag um drei in Orly an und will dich sprechen. Ach, merde, Tome, was wollen alle diese Leute?«
Ein Blick auf die Armbanduhr. In zehn Minuten mußte Mrs. Murchisons Maschine landen.
»Möchtest du eine Tasse Tee, Lieber?« Heloise führte ihn zu dem gelben Sofa. »Hast du diesen Bernard nun irgendwo gesehen?«
»Nein. Einen Augenblick, ich möchte mir nur die Hände waschen.« Tom ging in die Toilette und wusch sich Gesicht und Hände. Hoffentlich wollte Mrs. Murchison nicht hierher nach Belle Ombre kommen. Sie konnten sich ja in Paris treffen. Auch nach Paris würde er heute nur sehr ungern fahren.
Mme. Annette kam herunter, als Tom wieder ins Wohnzimmer trat. »Tag, Madame – was macht der berüchtigte Zahn? Endlich besser, hoffe ich.«
»Ja, M. Tome. Heute morgen bin ich zu dem Zahnarzt nach Fontainebleau gefahren, und er hat den Nerv rausgenommen. Richtig herausgenommen. Montag muß ich noch einmal hin.«
»Schade, daß wir nicht alle unsere Nerven rausnehmen lassen können! Jetzt werden Sie bestimmt keine Schmerzen mehr haben.« Tom wußte kaum, was er da redete. Ob er doch besser Webster noch mal angerufen hätte? Er hatte es für klüger

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