Ripley Under Ground
den Garten ansehen wollte.
Mrs. Murchison kam, und Tom ging an die Haustür, um sie zu begrüßen und sich zu vergewissern, daß das Taxi richtig abgefertigt wurde. Mrs. Murchison hatte französisches Geld bei sich und gab dem Fahrer ein überreichliches Trinkgeld, aber Tom sagte nichts.
»Dies ist meine Frau, Heloise«, sagte er. »Mrs. Murchison – aus Amerika.«
»Guten Tag.«
»Guten Tag«, gab Heloise zurück.
Eine Tasse Tee wollte Mrs. Murchison gern trinken. »Sie müssen entschuldigen, daß ich mich so überstürzt selbst eingeladen habe«, sagte sie zu Tom und Heloise, »aber es handelt sich um eine sehr wichtige Sache, und ich wollte Sie so bald wie möglich sprechen.«
Sie hatten jetzt alle Platz genommen, Mrs. Murchison auf dem gelben Sofa, Tom wie Heloise auf einem Stuhl. Heloise verstand es hervorragend, sich den Anschein zu geben, als sei sie nicht weiter interessiert an der Situation, sei aber höflich genug, im Zimmer zu bleiben. Doch Tom wußte, daß ihr die Sache nicht gleichgültig war.
»Mein Mann –«
»Tom sollte ich ihn nennen, hat er gesagt.« Tom erhob sich mit liebenswürdigem Lächeln. »Er hat sich meine Bilder hier angesehen – hier rechts den ›Mann im Sessel‹ und hinter Ihnen ›Die roten Stühle‹. Das ist ein früheres Bild.« Er sprach beherzt und selbstsicher, ihm war jetzt alles egal, zum Teufel mit Anstand, Ethik, Freundlichkeit, Wahrheit, mit dem Gesetz und selbst mit dem Schicksal – womit er die Zukunft meinte. Entweder ging alles glatt, oder er fiel rein. Seinetwegen konnte Mrs. Murchison, wenn sie das Haus besichtigen wollte, auch noch den Keller mit inspizieren. Er wartete jetzt auf eine weitere Frage, vielleicht danach, was ihr Mann von den beiden Bildern gehalten hatte.
»Haben Sie diese auch von Buckmaster gekauft?« erkundigte sie sich.
»Ja, beide.« Er warf einen Blick auf Heloise, die eine Gitane-Zigarette rauchte, eine für sie unübliche Sorte. »Meine Frau spricht Englisch«, fügte er hinzu.
»Waren Sie auch hier, als mein Mann herkam?«
»Nein, ich war in Griechenland«, erwiderte Heloise. »Ich habe Ihren Mann gar nicht kennengelernt.«
Mrs. Murchison erhob sich und betrachtete die Bilder, und Tom schaltete zur besseren Beleuchtung noch zwei weitere Lampen an.
»Den ›Mann im Sessel‹ habe ich am liebsten«, sagte er. »Deshalb hängt er da über dem Kamin.«
Auch Mrs. Murchison schien das Bild zu gefallen.
Ob sie nichts mehr sagen wollte über die Theorie ihres Mannes hinsichtlich der Derwatt-Fälschungen? Nein, es kam nichts mehr. Sie verlor kein Wort über die Lavendel- oder Purpurfarben der Bilder. Sie stellte genau dieselben Fragen, die Inspektor Webster gestellt hatte: ob ihr Mann wohlauf gewesen sei, als er das Haus verließ, und ob er noch weitere Verabredungen gehabt habe.
»Er schien mir sehr munter zu sein«, gab Tom zur Antwort, »und weitere Verabredungen hat er mir gegenüber nicht erwähnt, das sagte ich schon zu dem Inspektor. Was mir merkwürdig vorgekommen ist, daß das Bild gestohlen wurde. Das hatte er noch in Orly bei sich, es war gut verpackt.«
»Ja, ich weiß.« Mrs. Murchison rauchte eine ihrer Chesterfield-Zigaretten. »Das Bild haben sie noch nicht gefunden. Aber meinen Mann ja auch nicht, und auch seinen Paß nicht.« Sie lächelte. Das Gesicht war von zutraulicher Freundlichkeit, ein wenig rundlich; man sah noch keine Altersfalten.
Tom schenkte ihr noch einmal Tee ein. Mrs. Murchison sah zu Heloise hinüber. War es ein abschätzender Blick? Überlegte sie, wieviel Heloise wußte? Ob es überhaupt etwas zu wissen gab? Oder erwog sie, auf welche Seite sich Heloise stellen würde, falls ihr Mann sich etwas hatte zuschulden kommen lassen?
»Inspektor Webster sagte mir, Sie seien ein Freund von Dickie Greenleaf gewesen, der in Italien umgebracht wurde«, sagte Mrs. Murchison.
»Ja. Aber er ist nicht umgebracht worden, er hat sich das Leben genommen. Ich hatte ihn ungefähr fünf oder sechs Monate gekannt.«
»Wenn er sich nicht das Leben genommen hat – ich glaube, der Inspektor hat da gewisse Zweifel –: wer kann ihn dann wohl umgebracht haben? Und warum?« fragte Mrs. Murchison. »Haben Sie da irgendeine Vorstellung?«
Tom stand aufrecht und stemmte die Füße fest auf den Fußboden, während er seinen Tee trank. »Ich habe keinerlei Vorstellung darüber, wirklich. Dickie hat sich das Leben genommen. Ich glaube, er konnte keinen rechten Weg finden als Maler, und erst recht nicht im Geschäft seines Vaters, der hatte eine
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