Ripley Under Ground
Weile allein sein will.«
»Tom, ich glaube, Webster will dich noch mal sprechen. Er fährt rüber nach Paris und trifft sich dort mit Mrs. Murchison. Deshalb rufe ich dich an.«
Tom stieß einen Seufzer aus. »Wann?«
»Kann sein, schon heute. Ich weiß nicht, was er vorhat . . .«
Tom legte den Hörer auf. Er war ebenso konsterniert wie ergrimmt. Noch einmal Webster gegenübertreten – wozu? Dann schon lieber das Haus verlassen.
»Chéri, was ist los?«
»Ich kann nicht mitkommen zu Berthelins«, sagte Tom und mußte plötzlich lachen. Als ob er keine anderen Sorgen hätte als die Berthelins! »Liebes, ich muß heute abend nach Paris und morgen nach Salzburg. Vielleicht sogar heute abend noch nach Salzburg, wenn es noch eine Maschine gibt. Es kann sein, daß Inspektor Webster.- der Engländer, weißt du – heute abend anruft; dann mußt du sagen, ich sei geschäftlich in Paris, ich hätte eine Zusammenkunft mit meinem Steuerberater oder sonstwas. Wo ich übernachte, weißt du nicht – irgendwo im Hotel, aber du weißt nicht in welchem.«
»Wovor läufst du davon, Tome ?«
Tom starrte sie an. Davonlaufen? Vor wem? Wohin? »Ich weiß es nicht.« Er fühlte, wie ihm der Schweiß ausbrach. Gern hätte er noch einmal geduscht, aber die Zeit konnte knapp werden. »Du – sag auch Mme. Annette, daß ich plötzlich nach Paris mußte, ja?«
Er lief nach oben und holte den Koffer aus dem Schrank. Jetzt würde er wieder den scheußlichen Regenmantel tragen, den Scheitel auf die andere Seite verlegen und sich in Robert Mackay verwandeln. Heloise kam herein, um ihm zu helfen.
»Wenn ich schnell noch mal duschen könnte –«, sagte Tom und hörte im selben Augenblick, wie Heloise in seinem Badezimmer den Hahn zur Dusche öffnete. Er zog sich schleunigst aus und trat unter die Dusche. Lauwarm, genau richtig.
»Kann ich mitkommen, Tome ?«
Oh, wäre das schön! »Liebes – es geht doch nicht, wegen dem Paß. Es geht nicht, daß Mme. Ripley die deutsch-französische oder österreichische Grenze zusammen mit Robert Mackay übertritt. Das Schwein Makkay!« Tom trat unter der Dusche hervor.
»Tome, der Inspektor kommt doch wegen Murchison? Hast du ihn umgebracht, Tome ?« Mit gerunzelter Stirn blickte Heloise ihn an – unruhig, aber keineswegs hysterisch.
Sie wußte das von Dickie, das war ihm in diesem Augenblick klar. Nie hatte sie es ausgesprochen, aber sie wußte es. Warum sollte er es ihr jetzt nicht sagen, dachte Tom; sie konnte ihm vielleicht helfen, und die Lage war überdies so verzweifelt, daß – wenn er das Spiel verlor oder irgendwo einen Fehler machte – doch alles zu Ende war, auch seine Ehe. Er dachte nach: konnte er nicht als Tom Ripley nach Salzburg fahren und Heloise mitnehmen? Doch so gern er das getan hätte: er wußte nicht, was er in Salzburg unternehmen mußte oder wohin die Spur dann weiterführte. Jedenfalls aber wollte er beide Pässe mitnehmen, den eigenen und den von Robert Mackay.
»Tome, du hast ihn umgebracht, ja? Hier?«
»Ich mußte ihn umbringen, um eine ganze Anzahl anderer Leute zu retten.«
»Die Derwatt-Leute? Wieso?« Sie fiel jetzt ins Französische. »Warum sind die alle so wichtig, sag mal?«
»Weil Derwatt tot ist – schon seit Jahren«, gab er zur Antwort, »und das wollte Murchison aufdecken.«
»Tot – Derwatt ist tot?«
»Ja. Und ich habe zweimal in London seine Rolle gespielt«, sagte Tom. Im Französischen klang das Wort so unschuldig und fröhlich: › représenté Derwatt in London, zweimal.‹ »Nun suchen sie nach Derwatt – vielleicht noch nicht gerade fieberhaft, aber sie suchen ihn. Und im Augenblick sieht es wirklich übel aus.«
»Du hast doch seine Bilder nicht gefälscht, nein?«
Tom lachte. »Du überschätzt mich, Heloise. Bernard, der fou, das ist der Fälscher. Er will jetzt damit aufhören. Ach, es ist so schwierig zu erklären alles.«
»Warum mußt du nach Bernard suchen, nach diesem fou ! Ach, Tome, bleib doch weg von ihm . . .«
Den Rest hörte Tom nicht mehr. Er wußte jetzt plötzlich, warum er Bernard finden mußte. Er hatte eine Vision. Tom nahm seinen Koffer auf und sagte: »Leb wohl, mein Engel. Kannst du mich wohl nach Melun bringen? Und bitte nicht in die Nähe des Polizeireviers, ja?«
Mme. Annette war unten in der Küche, und Tom rief ihr aus der Diele ein eiliges auf Wiedersehen zu, wobei er den Kopf abgewandt hielt, damit sie den Scheitel nicht bemerkte. Der häßliche, doch vielleicht glückbringende Regenmantel hing ihm über dem Arm.
Er
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