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Ripley Under Ground

Ripley Under Ground

Titel: Ripley Under Ground Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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versprach Heloise, mit ihr in Verbindung zu bleiben, sagte aber, er werde Telegramme stets mit anderem Namen signieren. Im Wagen nahmen sie mit zärtlichen Küssen voneinander Abschied, und Tom riß sich aus dem Trost ihrer Arme los und betrat ein Abteil erster Klasse nach Paris.
In Paris stellte er fest, daß es einen Direktflug nach Salzburg nicht gab; auch sonst verkehrte täglich nur eine Maschine, die er benutzen konnte. In Frankfurt mußte er umsteigen und von dort aus nach Salzburg weiterfliegen. Die Maschine nach Frankfurt startete jeden Mittag um 14.40 Uhr. Tom nahm ein Zimmer in einem Hotel, nicht weit von der Gare de Lyon, und kurz vor Mitternacht riskierte er einen Anruf bei Heloise. Er konnte den Gedanken nicht ertragen, daß sie dort allein im Haus war, nicht wußte, wo er war, und womöglich Webster ihr gegenüber saß. Sie hatte gesagt, sie wolle nicht zu Berthelins gehen.
»Hallo, mein Liebes. Wenn Webster gerade da ist, sag ›Falsch verbunden‹ und leg einfach auf«, sagte Tom.
»M´sieur, ich glaube, Sie haben falsch gewählt«, sagte Heloises Stimme, und der Hörer wurde aufgelegt.
Toms Lebensgeister sackten, die Knie wurden ihm weich. Er setzte sich auf sein Hotelbett. Hätte er sie bloß nicht angerufen. Es war immer und jederzeit besser, allein zu arbeiten. Ganz sicher hatte Webster gemerkt oder doch geahnt, daß der Anruf von ihm gekommen war.
Was mußte Heloise jetzt durchmachen? War es richtig, daß er ihr die Wahrheit gesagt hatte, oder ganz falsch?
22
    Am anderen Morgen besorgte Tom sein Flugticket, und um zwanzig Minuten nach zwei war er in Orly. Wenn Bernard nicht in Salzburg war, wo konnte er dann sein? In Rom vielleicht? Nein – das hoffentlich nicht; in Rom wäre es schwierig, jemanden zu finden. Tom hielt den Kopf gesenkt und sah sich in Orly nicht weiter um; es war immerhin möglich, daß Webster jemanden von London herübergeschickt hatte, der ihn suchen sollte. Kam darauf an, wie weit die Dinge jetzt gediehen waren, und das wußte Tom nicht. Warum bloß war Webster noch einmal in Belle Ombre erschienen? Ob er einen Verdacht hegte, daß Tom die Rolle Derwatts gespielt hatte? Wenn ja, dann war der zweite Auftritt, bei dem er England mit einem neuen Paß betreten und verlassen hatte, wohl ein Pluspunkt gewesen, denn während dieses zweiten Auftritts war Tom Ripley jedenfalls nicht in London gewesen.
    Im Frankfurter Flughafen mußte er eine Stunde warten; dann bestieg er eine viermotorige österreichische Maschine mit dem hübschen Namen ›Johann Strauß‹. Nach der Landung in Salzburg begann er sich sicherer zu fühlen. Er fuhr mit dem Bus bis zum Mirabellplatz, und da er versuchen wollte, im Goldenen Hirsch, dem besten und meistbesetzten Haus am Platze, ein Zimmer zu bekommen, rief er lieber vorher an. Ja, sie hatten ein Zimmer mit Bad, das er unter dem Namen Thomas Ripley für ihn zu reservieren bat. Er beschloß, zu Fuß zum Hotel zu gehen, der Weg war nicht weit. Er war schon zweimal in Salzburg gewesen, einmal mit Heloise. Man sah Fußgänger in Lederhosen, aus denen bei vielen die Hirschhorngriffe von Jagdmessern ragten, dicken Kniestrümpfen und Tiroler Hüten. Er entsann sich noch vage an die ziemlich großen alten Hotels, die neben der Eingangstür ihre Speisekarten ausgehängt hatten: ganze Menüs mit Wiener Schnitzel zu fünfundzwanzig und dreißig Schilling.
    Jetzt kam die Salzach und die große Brücke – hieß sie nicht Staatsbrücke? –, von der aus man mehrere kleinere Brücken sehen konnte. Tom ging über die große Brücke. Überall blickte er nach Bernards langer und sicher gebückter Gestalt aus. Das graue Wasser strömte schnell dahin; an den beiden grünen Uferbänken lagen große Steine, über die das Wasser hinwegschäumte. Es war eben nach sechs Uhr nachmittags, und die Dämmerung sank. Unregelmäßig sprangen Lichter auf in der älteren Stadthälfte, auf die er nun zuging; immer höher stiegen sie, wie Sterne, hinauf auf den weiten Hügel der Feste Hohensalzburg und auf den Mönchsberg. Jetzt bog er in eine kurze schmale Gasse ein, die zur Getreidegasse führte.
    Toms Zimmer ging nach hinten hinaus auf den Sigmundsplatz. Rechts lag die ›Pferdeschwemme‹ und dahinter ein Felsvorsprung, vorn sah man einen steinernen Brunnen. Morgens standen hier auf dem Platz Obst- und Gemüsehändler mit ihren Karren, daran erinnerte sich Tom. Ein paar Minuten gönnte er sich, um auszuruhen, den Koffer zu öffnen und in bestrumpften Füßen über den mattpolierten

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