Ripley Under Ground
Jeff aus eigener Initiative angerufen, nur um ihm zu sagen, Derwatt sei in Salzburg, aber er mache sich Sorgen um ihn. Er mußte dann auch sagen, er habe Jeff gebeten, niemandem zu erzählen, wo er war – vor allem nicht ›der Öffentlichkeit‹. Ja – und Bernard? Hm. Ja – Tom hatte also Jeff gegenüber auch erwähnt, daß Bernard in Salzburg war. Warum eigentlich nicht? Bernard Tufts wurde ja von der Polizei nicht gesucht. Bernard war eben verschwunden – zweifellos ein Selbstmord, vermutlich in der Salzach –, und zwar mußte das in der Nacht nach dem Tage geschehen sein, an dem Tom und Bernard Derwatts Leiche verbrannt hatten. Ja – am besten gab er an, Bernard habe ihm dabei geholfen.
Mit einer Bestrafung wegen Beihilfe zum Selbstmord, überlegte Tom, mußte er wohl rechnen. Was tat man mit solchen Leuten? Derwatt hatte also eine enorme Dosis Schlaftabletten geschluckt, würde er berichten. Morgens waren sie zu dritt durch den Wald gegangen, aber Derwatt hatte schon vorher einige Tabletten genommen. Sie hatten ihn nicht daran hindern können, den Rest auch noch zu nehmen, und – das würde Tom offen zugeben – er hatte sich einem so starken Verlangen auch nicht entgegenstellen wollen. Und Bernard auch nicht.
Tom ging in sein Zimmer zurück, machte das Fenster auf und öffnete dann den Schweinslederkoffer. Er nahm das kleinere Bündel heraus und wickelte es in noch mehr Zeitungspapier ein. Es war immer noch nicht größer als eine Grapefruit. Dann schloß er den Koffer, falls eins der Mädchen das Zimmer betrat (das Bett war aber schon aufgeschlagen), ließ das Fenster etwas offenstehen und ging mit dem Päckchen nach unten auf die Straße. Er schritt nach rechts bis zur Brücke mit dem Geländer, wo er gestern Bernard hatte stehen sehen. Tom lehnte sich ebenso an das Geländer, und als kein Fußgänger in Sicht war, öffnete er die Hand und ließ das Bündel fallen. Es fiel leicht und fast lautlos und war schnell im Dunkel verschwunden. Tom hatte auch Bernards Ring mitgebracht, den er ebenso ins Wasser fallen ließ.
Am nächsten Morgen buchte Tom seinen Flug und machte dann noch ein paar Besorgungen, vor allem Mitbringsel für Heloise. Er kaufte für sie eine grüne Weste und einen Wolljanker, hellblau wie die Packung der Gauloises, ferner eine weiße Bluse mit Rüschen und für sich selbst eine dunkelgrüne Weste und zwei Jagdmesser.
Die kleine Maschine, die er nachmittags bestieg, hieß ›Ludwig van Beethoven‹. Um acht Uhr war er in Orly und zeigte seinen eigenen Paß vor. Ein Blick auf ihn und auf das Paßbild. Kein Stempel. Er nahm ein Taxi nach Villeperce. Er hatte schon befürchtet, Heloise könne Besuch haben, und so war es auch: vor dem Hause stand ein dunkelroter Citroën, Antoine Grais´ Wagen.
Sie waren gerade fertig mit dem Essen. Ein behagliches Feuer brannte im Kamin.
»Warum hast du nicht angerufen?« beschwerte sich Heloise, aber sie strahlte.
»Bitte laßt euch nicht stören«, bat Tom.
»Wir sind ja fertig«, meinte Agnès Grais. Das stimmte, sie wollten gerade im Wohnzimmer den Kaffee trinken.
»Haben Sie gegessen, M. Tome ?«, fragte Mme. Annette.
Tom sagte, er habe gegessen, aber Kaffee hätte er gern. Dann erzählte er – ganz normal, wie er meinte – den Gästen, er sei in Paris gewesen, um einen Freund zu treffen, der ihn um Hilfe in einer persönlichen Angelegenheit gebeten habe. Die beiden Grais waren nicht neugierig. Tom fragte, wieso Antoine, der doch so viel zu tun habe, sein Architekturbüro an einem Donnerstagabend im Stich gelassen habe?
»Trägheit«, gab Antoine zur Antwort. »Es war so schönes Wetter, ich rede mir ein, daß ich einen Neubau plane, und vor allem zeichne ich einen Kamin für unser Gastzimmer.« Er lachte.
Einzig Heloise spürte, daß er anders war als sonst, dachte Tom. »Wie war´s denn bei Noëlle am Dienstag?« fragte er.
»Oh, prima!« sagte Agnès. »Du hast uns gefehlt.«
»Und wie steht die Sache mit dem geheimnisvollen Murchison?« fragte Antoine.
»Na ja, sie haben ihn immer noch nicht gefunden. Mrs. Murchison war ja hier, das hat euch Heloise vielleicht erzählt.«
»Nein, hat sie nicht«, sagte Agnès.
»Ich habe ihr auch nicht viel helfen können«, berichtete Tom. »Das eine Bild von Derwatt, das ihr Mann bei sich hatte, ist auch gestohlen worden, in Orly.« Das zu erwähnen war harmlos, erstens stimmte es, und zweitens hatte es in den Zeitungen gestanden.
Nach dem Kaffee entschuldigte sich Tom einen Augenblick und sagte, er wolle
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