Ripley Under Ground
taumelte gegen die Halterungen, die Flaschen klirrten, fielen aber nicht heraus, nur Murchison fiel, er sackte um und stieß gegen einige Flaschenhälse, die jedoch in den Gestellen stekken blieben. Tom ergriff den ersten Gegenstand, der ihm in die Hand kam – es war ein leerer Kohleneimer – und ließ ihn auf Murchisons Kopf niedersausen, einmal und dann noch einmal. Der Boden des Eimers war schwer. Murchison lag blutend, zur Seite geneigt und leicht verrenkt auf dem Steinfußboden. Er bewegte sich nicht.
Was war mit dem Blut zu machen? Tom drehte sich im Kreise und suchte nach irgendeinem alten Stück Stoff oder Zeitungspapier. Dann ging er zum Öltank hinüber, unter dem ein großer Lappen lag; er war steif vor Alter und Schmutz. Damit ging er zurück und versuchte das Blut aufzuwischen, was jedoch nicht ging. Er gab es auf und sah sich von neuem um. Ich schiebe ihn unter ein Faß, dachte er. Er packte Murchison an den Füßen, ließ sie wieder fahren und legte ihm die Hand auf den Hals. Ein Pulsschlag war nicht zu fühlen. Tom holte tief Luft, faßte Murchison unter die Arme, schob und zog und schleppte den schweren Körper hinüber zu dem Faß. Die Ecke dahinter war dunkel. Murchisons Füße sahen etwas darunter hervor. Tom bog die Knie ein wenig, so daß man die Füße nicht sah. Aber das Faß ruhte in einem Halter mehr als fünf Zentimeter über dem Boden, und wenn jemand in der Mitte des Kellers stand und dort in die Ecke blickte, so war Murchison mehr oder weniger sichtbar. Bückte man sich, so konnte man den ganzen Körper sehen. Und natürlich war nirgends ein altes Laken, ein Stück Segeltuch, Zeitungspapier oder sonstwas zum Zudecken zu finden – dank Mme. Annettes Ordnungsliebe.
Tom warf den blutbefleckten Lappen weg; er landete auf Murchisons Füßen. Er trat nach ein paar Glasscherben – der Wein war jetzt mit dem Blut zusammengelaufen; dann nahm er schnell den Flaschenhals und schlug nach der Glühbirne, die an einem Draht von der Decke herabhing. Die Birne zerbrach und fiel klirrend zu Boden.
Tom keuchte ein wenig und versuchte, normal zu atmen. Im Dunkeln tappte er auf die Treppe zu und stieg hinauf. Er schloß die Kellertür. Die kleine Toilette hatte ein Waschbecken, wo er sich eilig die Hände abspülte. Das Wasser wurde rötlich; er hielt das zuerst für Murchisons Blut, bis er sah, daß noch mehr kam, weil er sich unten am Daumen geschnitten hatte. Nicht sehr tief, es hätte schlimmer sein können, er hatte noch Glück gehabt. Er riß Toilettenpapier von der Rolle und wickelte es um den Daumen.
Mme. Annette hatte jetzt in der Küche zu tun – auch das war Glück. Wenn sie jetzt herauskam, dachte Tom, so wollte er sagen, Murchison sei schon im Wagen – falls sie fragte. Es war Zeit zur Abfahrt.
Tom lief hinauf ins Gastzimmer. Die einzigen Sachen, die Murchison noch nicht eingepackt hatte, waren sein Mantel und ein paar Toilettesachen, die Tom schnell in eine Seitentasche des Koffers steckte. Dann machte er ihn zu und trug Koffer und Mantel die Treppe hinunter und zur Haustür hinaus. Er legte alles in den Alfa Romeo, lief dann noch einmal nach oben und holte Murchisons ›Uhr‹. Das Bild war immer noch eingewickelt: der Amerikaner war seiner Sache so sicher gewesen, daß er sich gar nicht die Mühe gemacht hatte, sein Bild auszupacken und es mit dem ›Mann im Sessel‹ zu vergleichen. Hochmut kommt vor dem Fall, dachte Tom. Er brachte seinen ›Mann im Sessel‹ aus Murchisons Zimmer zurück in sein eigenes Zimmer und stellte es hinten in einen Wandschrank; dann trug er ›Die Uhr‹ nach unten. Er nahm seinen Regenmantel vom Wandhaken vor der Kellertoilette und ging hinaus zum Wagen. Dann fuhr er nach Orly.
Murchisons Paß und Flugticket steckten sicher in seiner Jackentasche. Darum wollte er sich später kümmern, am besten vielleicht beides verbrennen, irgendwann, wenn Mme. Annette mal ausgegangen war und ihre morgendliche Besorgungstour machte. Ihm fiel jetzt auch ein, daß er ihr gar nichts von der Ankunft des Grafen gesagt hatte; na, er konnte sie von irgendwo anrufen, aber besser nicht vom Flughafen aus, dort wollte er sich nicht länger aufhalten.
Die Zeit stimmte. Es war genau richtig – so als ob Murchison tatsächlich die Maschine erreichen wollte.
Tom fuhr ans Ausgangsportal. Dort konnten Taxis und Privatwagen zwar nicht parken, wohl aber kurz halten, um Gepäck und Fahrgäste kurz abzusetzen oder aufzunehmen. Er hielt an, nahm Murchisons Koffer und setzte ihn auf den
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