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Ripley Under Ground

Ripley Under Ground

Titel: Ripley Under Ground Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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daß er alles Notwendige im Zimmer hatte.
Er überlegte, ob er Jeff oder Ed anrufen sollte. Aber was konnte er ihnen schon mitteilen, außer daß er nicht weiterkam in seinem Bemühen, Murchison von seinem Plan mit dem Mann von der Tate Galerie abzubringen? Außerdem wollte er auch nicht, daß Jeffs Telefonnummer allzuoft auf seiner Telefonrechnung erschien.
6
    Mit entschlossenem Optimismus begann Tom den neuen Tag. Er hatte noch im Bett, um richtig aufzuwachen, eine Tasse von Mme. Annettes köstlichem schwarzem Kaffee getrunken, dann bequeme alte Sachen angezogen. Nun ging er hinunter, um festzustellen, ob sich bei Murchison schon etwas regte. Es war Viertel vor neun.
    »Le monsieur frühstückt oben in seinem Zimmer«, teilte ihm Mme. Annette mit.
Während sie in seinem Schlafzimmer aufräumte, rasierte sich Tom im Bad. »M. Murchison wird wohl heute nachmittag abreisen«, antwortete er auf ihre Frage nach dem Menü des Abendessens. »Aber heute ist doch Donnerstag – glauben Sie, Sie könnten beim Fischhändler ein paar schöne Schollen bekommen, zum Lunch?« Zweimal in der Woche kam ein Lieferwagen mit Fisch ins Dorf. Für ein eigenes Fischgeschäft war Villeperce nicht groß genug.
Mme. Annette war sichtlich inspiriert von seiner Anregung. »Es gibt jetzt so schöne Trauben im Obstladen, kaum zu glauben . . .«
»Ja, bringen Sie welche mit.« Tom hörte kaum zu.
Um elf Uhr wanderten Tom und Murchison durch den Wald hinter Toms Grundstück. Tom war in seltsamer Stimmung. In einem Anfall freimütiger Freundschaft und Ehrlichkeit hatte er Murchison in dem Zimmer oben, wo er manchmal malte, seine eigenen künstlerischen Versuche vorgeführt. Er malte hauptsächlich Landschaften und Porträts. Immer war er darauf aus, zu vereinfachen, sich das Beispiel Matisse vor Augen zu halten, doch bisher, fand er, hatte er wenig Erfolg. Das eine Porträt von Heloise (vielleicht der zwölfte Versuch) war nicht schlecht, und das hatte Murchison auch gelobt. Herrgott, dachte Tom, ich bin bereit, meine Seele vor ihm bloßzulegen, ihm die Gedichte zu zeigen, die ich an Heloise geschrieben habe, ich würde mich nackt ausziehen und einen Schwertertanz vorführen, wenn er nur – seinen Standpunkt ändern wollte! Es war alles ganz zwecklos.
Murchisons Maschine nach London ging um vier Uhr. Sie konnten also noch in Ruhe zu Hause essen; nach Orly fuhr man bei guten Straßenverhältnissen etwa eine Stunde. Während Murchison sich für den Spaziergang andere Schuhe anzog, hatte Tom den ›Mann im Sessel‹ in drei dicken Wellpappen, Bindfaden, Papier und noch mehr Bindfaden verpackt. Murchison wollte das Bild im Flugzeug bei sich behalten, das hatte er Tom gesagt. Er hatte im Hotel Mandeville für heute abend ein Zimmer gebucht.
»Aber, bitte, denken Sie daran«, sagte Tom, »in meinem Namen sollen keinerlei Schritte unternommen werden wegen meines ›Mann im Sessel‹.«
»Das heißt doch aber nicht, daß Sie die Fälschung bestreiten, nicht wahr?« fragte Murchison lächelnd. »Sie bestehen nicht darauf, daß das Bild echt ist, oder?«
»Nein, das nicht«, sagte Tom. »Touché. Ich beuge mich den Experten.«
Draußen im Freien war nicht der richtige Ort für eine Unterhaltung, die auf einen ganz genauen Punkt hinzielte. Oder mußte sich das Gespräch unvermeidlich zu einer großen grauen Wolke ausweiten? Tom fühlte sich recht unwohl bei diesem Spaziergang im waldigen Gelände.
Er hatte Mme. Annette gebeten, das Mittagessen wegen Murchisons Abreise früh vorzubereiten. Um Viertel vor eins setzten sie sich zu Tisch.
Tom war fest entschlossen, das Thema nicht fallenzulassen, weil er die Hoffnung noch nicht ganz aufgeben wollte. Er sprach von van Meegeren, über den Murchison ebenfalls informiert war. Van Meegerens VermeerFälschungen hatten ihm am Ende einen eigenen und selbständigen Wertstatus errungen. Vielleicht, sagte Tom, brachte der Maler das zunächst nur aus Trotz und als Selbstverteidigung vor: doch ästhetisch gesehen war es nicht zu bezweifeln, daß van Meegerens ›neue‹ Vermeers die Leute, die sie gekauft hatten, froh und glücklich machten.
»Was ich nicht begreife, ist, daß Sie gar keine Beziehung zur Wahrheit der Dinge haben«, sagte Murchison. »Der Stil eines Künstlers ist das Echte, das Aufrichtige an ihm. Wie kann jemand anders sich das Recht nehmen, das nachzuahmen, wie man die Unterschrift eines anderen nachahmt? Und dann noch von dem Namen und dem Bankkonto des Künstlers zu profitieren? Ein Name, den der Mann

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