Ripley Under Ground
durch seine Gaben aufgebaut hat?«
Sie saßen vor den fast geleerten Tellern und tupften mit den letzten Kartoffeln die letzten Reste von Scholle und Butter auf. Die Schollen waren exquisit gewesen, der Weißwein war es noch. Es war eine Mahlzeit, die unter anderen Umständen ein Gefühl tiefer Zufriedenheit, vielleicht sogar wirklichen Glücks hinterlassen hätte, die Liebende dazu inspiriert hätte – vielleicht nach dem Kaffee – miteinander ins Bett zu gehen, sich zu lieben und dann einzuschlafen. Bei Tom war das alles heute verschwendet.
»Ich spreche nur für mich, wie eigentlich immer«, sagte er. »Ich möchte Sie nicht beeinflussen, und ich könnte es auch sicher gar nicht. Aber was mich betrifft, so können Sie Mr. – wer ist es, ja: Mr. Constant, Sie können ihm sagen, daß ich mit meiner Fälschung froh und zufrieden bin und sie zu behalten gedenke.«
»Das werde ich ihm sagen. Aber denken Sie denn gar nicht an die Zukunft? Wenn das nun jemand immer weiter macht –«
Jetzt kam ein Zitronensoufflé. Tom kämpfte mit sich. Er war so fest von seiner Sache überzeugt: warum nur konnte er sie nicht in die richtigen Worte fassen und damit auch Murchison überzeugen? Murchison war kein Künstler, das war es. Sonst würde er nicht so reden. Bernards Arbeit wußte er überhaupt nicht zu würdigen. Was sollte das ganze Gerede von Wahrheit und Unterschrift und womöglich auch noch von Polizei? Was war das alles im Vergleich zu dem, was Bernard in seinem Atelier produzierte und was unbestreitbar das Werk eines sehr guten Malers war? Wie hatte es doch noch van Meegeren ausgedrückt (oder hatte Tom selbst das gesagt, in einem seiner Notizbücher?): »Was ein Künstler schafft, geschieht ganz natürlich und mühelos. Eine stärkere Macht führt ihm die Hand. Ein Fälscher dagegen muß Mühe aufwenden, er strengt sich an, und wenn ihm die Arbeit gelingt, so ist das ein echter Erfolg.« Es war seine eigene Fassung, das fiel Tom jetzt ein. Dieser satte Krämer Murchison mit seinen Phrasen. Bernard war wenigstens ein Mann mit Talent, mit mehr Talent als dieser Murchison mit seinen Rohren und Leitungen und Verpackungsmethoden, für die die Grundidee noch dazu von einem kanadischen Ingenieur stammte, wie Murchison selbst erzählt hatte.
Kaffee. Beide tranken keinen Brandy, obgleich die Flasche auf dem Tisch stand.
Thomas Murchisons Gesicht – fleischig, ein wenig rötlich –: für Tom war es ein Gesicht aus Stein. Die Augen waren hell und intelligent und unnachgiebig gegen ihn.
Es war jetzt halb zwei. In einer halben Stunde mußten sie fort, nach Orly. Was sollte er machen, überlegte Tom – sollte er gleich nach der Abreise des Grafen wieder nach London fahren? Was konnte er schon tun in London? Der Teufel sollte den Grafen holen. Derwatt Ltd. war jetzt viel wichtiger als das Zeug, das der Graf bei sich trug. Tom fiel plötzlich ein, daß Reeves ihm gar nicht gesagt hatte, wo er nachsehen sollte: im Koffer des Grafen oder in seiner Handtasche oder wo sonst. Wahrscheinlich rief Reeves heute abend noch an. Tom war verstört, er konnte nicht länger auf dem Stuhl sitzen bleiben, wo er schon seit zehn Minuten unruhig hin- und herrutschte.
»Ich wollte Ihnen eine Flasche Wein aus meinem Keller mitgeben«, sagte er. »Wollen wir mal runtergehen und uns welche ansehen?«
Murchison strahlte noch breiter. »Wunderbare Idee, Tom! Das ist wirklich nett von Ihnen.«
Der Keller war entweder von draußen erreichbar, über ein paar Steinstufen, die zu einer grünen Tür führten, oder durch eine Tür in der unteren Extra-Toilette, neben einem kleinen Windfang, wo Gäste ihre Mäntel aufhängen konnten. Tom und Heloise hatten die Innentreppe einmauern lassen, damit sie bei schlechtem Wetter nicht nach draußen mußten.
»Den Wein nehme ich mit nach Amerika. Wär ein Jammer, ihn ganz allein in London zu trinken«, sagte Murchison.
Tom machte unten Licht an. Der Keller war groß, grau und kühl wie ein Eisschrank, oder es kam einem so vor durch den Kontrast mit dem zentralgeheizten Haus. Da gab es fünf oder sechs große Fässer, die auf Gestellen standen; nicht alle waren voll. An allen Wänden waren Halter mit Weinflaschen angebracht. In der einen Ecke sah man den großen Tank für die Heizung und einen zweiten für heißes Wasser.
»Dies sind die Clarets«, sagte Tom und zeigte auf eine Wand voller Flaschenständer, die mehr als zur Hälfte mit staubigen dunklen Flaschen gefüllt waren.
Murchison pfiff anerkennend.
Es muß hier
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