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Ripley Under Ground

Ripley Under Ground

Titel: Ripley Under Ground Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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Gehweg, dann stellte er ›Die Uhr‹ angelehnt neben den Koffer und legte den Mantel obenauf. Er stieg in den Wagen und fuhr ab; er sah, daß hie und da auf dem Gehweg noch ein paar Gepäckstücke abgestellt waren. Er fuhr in Richtung auf Fontainebleau und hielt an einer kleinen Kaffeebar, wie es sie häufig gab an der Straße zwischen Orly und dem Anfang der Autoroute du Sud.
Er bestellte ein Bier und verlangte einen Jeton für ein Telefongespräch. Ein Jeton war hier jedoch nicht notwendig; er nahm den Hörer vom Telefon neben der Kasse und wählte seine Nummer.
»Hallo – ich bin´s«, sagte er. »Mr. Murchison hatte es sehr eilig im letzten Moment, ich soll Sie noch schön grüßen und Ihnen vielmals danken.«
»O ja, danke schön.«
»Alors – heute abend kommt noch ein Gast, ein Italiener, ein Graf Bertolozzi. Ich hole ihn in Orly ab, und wir sind gegen sechs zu Hause. Was könnten wir wohl essen – ob Sie vielleicht – Kalbsleber besorgen könnten?«
»Der Schlachter hat gerade sehr schönen Gigot – ?«
Tom stand im Augenblick nicht der Sinn nach irgend etwas mit Knochen. »Ach, wenn es nicht zu viel Mühe ist, möchte ich doch lieber Kalbsleber.«
»Und dazu ein Margaux? Oder ein Meursault?«
»Lassen Sie – um den Wein kümmere ich mich selber.«
Er bezahlte – mit der Angabe, er habe nach Sens telefoniert, das war weiter als sein Dorf – und ging zum Wagen. In mäßigem Tempo fuhr er nach Orly, vorbei am Ein- und Ausgangsportal der Halle, wo er sah, daß Murchisons Sachen noch draußen standen, wo er sie hingestellt hatte. Der Mantel würde sicher zuerst verschwinden, dachte Tom, den würde sich ein forscher junger Mann bald über den Arm hängen. Und wenn Murchisons Paß in der Manteltasche steckte, würde der junge Mann vielleicht noch irgendeinen Gebrauch davon machen. Tom lächelte kurz, als er in den Platz P 4 einbog, wo man eine Stunde lang parken durfte.
Langsam schritt Tom durch die Glastür, die sich automatisch öffnete, kaufte am Kiosk eine Neue Zürcher Zeitung und prüfte die Ankunftszeit von Edoardos Maschine. Sie sollte pünktlich ankommen; er hatte noch ein paar Minuten Zeit. Er trat an die überfüllte Bar – immer war sie überfüllt –, fand schließlich Platz für einen Ellbogen auf dem Serviertisch und bestellte einen Kaffee. Als er ihn getrunken hatte, besorgte er sich ein Ticket und ging nach oben, wo man die ankommenden Fluggäste treffen konnte.
Der Graf trug einen grauen Homburg. Er hatte einen dünnen schwarzen Schnurrbart, und selbst unter dem offenen Mantel sah man den leicht hervortretenden Bauch. Als er Tom sah, ging ein Lächeln über sein Gesicht, ein echt italienisches spontanes Lächeln, und er winkte mit der Hand. Er war gerade dabei, seinen Paß vorzuweisen.
Dann schüttelten sie sich die Hände, umarmten einander schnell, und Tom half ihm beim Tragen der Gepäckstücke und Taschen. Der Graf hatte auch ein Aktenköfferchen in der Hand. Was mochte er bei sich haben, und wohin fuhr er? Sein Koffer wurde gar nicht geöffnet, der französische Beamte winkte ihn einfach durch.
»Bitte warten Sie hier einen Moment, ich hole meinen Wagen«, sagte Tom, als sie auf dem Gehsteig standen. »Er steht gleich dahinten.« Er verschwand schnell und war in fünf Minuten zurück.
Er mußte am Ausgangsportal vorbeifahren und sah jetzt, daß Murchisons Koffer und das Bild noch dort standen, aber der Mantel war weg. Zwei zu eins.
Auf der Heimfahrt unterhielten sie sich – nicht sehr tiefgründig – über italienische Verhältnisse und französische Gegenwartspolitik. Der Graf erkundigte sich nach Heloise. Tom kannte ihn noch nicht lange; dies war, dachte er, das zweite Treffen, nur hatten sie sich in Mailand über Malerei unterhalten, für die sich Bertolozzi sehr lebhaft interessierte.
»Im Augenblick haben sie in London eine esposizione von Derwatt. Ich freue mich schon darauf, nächste Woche. Was sagen Sie dazu, daß Derwatt nach London gekommen ist? Ich war sehr überrascht. Seit Jahren die ersten Bilder von ihm!«
Tom hatte sich keine Londoner Zeitung besorgt. »Ja, das war eine große Überraschung. Er soll sich nicht sehr verändert haben, wie es heißt.« Tom hatte nicht die Absicht, davon zu sprechen, daß er kürzlich in London gewesen war und die Ausstellung gesehen hatte.
»Ich bin sehr gespannt auf das Bild bei Ihnen zu Hause. Wie heißt es? Das mit den kleinen Mädchen meine ich.«
»›Die roten Stühle‹.« Tom war erstaunt, daß der Graf sich daran erinnerte.

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