Ripley Under Water
letzten kleinen runden Tisch und ergatterte vom Nebentisch einen zweiten Stuhl.
»Geld, Liebes.« Er zückte die Brieftasche und bot ihr die Hälfte der Dirhamscheine an.
Sie hatte eine anmutige Art, ihre Handtasche zu öffnen – diese ähnelte einer Satteltasche en miniature – und Banknoten oder was auch immer sofort und doch zielsicher verschwinden zu lassen. »Wieviel ist das?«
»Etwa vierhundert Franc. Heute abend im Hotel tausche ich mehr. Im Minzah gilt derselbe Wechselkurs wie am Schalter im Flughafen, das hab ich gesehen.«
Héloïse nahm seine Bemerkung gleichgültig auf, doch Tom wußte, dass sie sich daran erinnern würde. Ringsum hörte er kein Wort Französisch, nur Arabisch, oder besser, einen Berberdialekt, wie er gelesen hatte. So oder so, er verstand nichts. An den Tischen fast ausschließlich Männer, manche mittleren Alters und leicht untersetzt, in kurzärmeligen Hemden. Nur an einem Tisch weiter weg saß ein blondhaariger Mann in Shorts mit einer Frau.
Und Kellner waren kaum zu sehen.
»Sollten wir nicht nachfragen, Tomme , wegen Noëlles Zimmer?«
»Ja, kann nicht schaden, sicherzugehen.« Tom lächelte. Bei der Anmeldung hatte er schon gefragt, ob ein Zimmer für Madame Hassler gebucht sei, die morgen abend eintreffen werde. Der Mann am Empfang hatte gesagt, das Zimmer sei reserviert. Zum drittenmal schon winkte Tom dem Kellner – weiße Jacke, ein Tablett in der Hand und eine Miene, als gehe ihn das alles nichts an. Doch diesmal kam er.
Wein und Bier gebe es nicht, sagte er.
Beide bestellten Kaffee: Deux cafés.
Tom mußte an Cynthia Gradnor denken, ausgerechnet an sie, und das in Nordafrika – Cynthia, die Verkörperung der kühlen, blonden, nüchternen Engländerin. War sie nicht auch zu Bernard Tufts kühl gewesen? Und letztlich gefühllos? Nun, diese Frage konnte er nicht beantworten, weil sie auf das private Terrain sexueller Beziehungen führte; dort mochte es ganz anders zugehen, als sich das Paar in der Öffentlichkeit gab. Wie weit würde sie gehen, um ihn selber bloßzustellen, ohne zugleich sich und Bernard zu kompromittieren? Seltsam, daß er Cynthia und Bernard stets als Einheit im geistigen Sinn empfunden hatte, obwohl sie nie geheiratet hatten. Bestimmt waren sie ein Liebespaar gewesen, und zwar monatelang, aber der körperliche Aspekt zählte nicht. Cynthia hatte Bernard respektiert und aus tiefstem Herzen geliebt, und Bernard, zerquält wie er war, hatte sich womöglich am Ende »nicht für wert befunden«, auch nur mit Cynthia zu schlafen, weil er sich wegen der Derwatt-Fälschungen so schuldig fühlte.
Tom seufzte auf.
»Was ist los, Tomme ? Bist du müde?«
»Nein.« Das nun nicht. Tom lächelte wieder, ein breites Grinsen mit dem Gefühl der Freiheit, das ihn tatsächlich überkam, als er merkte, wo er war: Hunderte von Kilometern weit weg von seinen »Feinden«, falls sie diesen Namen verdienten. Eher schon waren sie Nervensägen, und zwar nicht nur die Pritchards, sondern auch Cynthia Gradnor.
Vorerst aber… Tom konnte den Gedanken nicht zu Ende denken, runzelte abermals die Stirn, spürte das, rieb sich die Stirn. »Was machen wir morgen? Das Forbes Museum, die Bleisoldaten? Oben in der Kasbah, weißt du noch?«
»Ja!« Ihr Gesicht leuchtete auf: » Le Casbah! Und dann zum Socco.«
Sie meinte den Grand Socco, den großen Markt. Dort würden sie einkaufen, würden handeln und feilschen müssen, was Tom nicht behagte, aber unumgänglich war, wollte er sich nicht zum Narren machen und entsprechende Preise zahlen.
Auf dem Rückweg zum Hotel kaufte Tom, der keine Lust hatte zu feilschen, an einem Obstkarren zwei Arten von Feigen, die einen hellgrün, die anderen dunkler, doch beide schon reif genug, dazu schöne grüne Weintrauben und Orangen. Er steckte das Obst in die beiden Plastiktüten, die der Händler ihm gegeben hatte.
»Die werden sich hübsch machen in unserem Zimmer«, sagte er. »Und Noëlle bekommt auch welche.«
Zu seiner Freude entdeckte Tom, daß das Wasser wieder lief. Héloïse duschte vor ihm; danach lagen beide entspannt in Pyjamas auf dem übergroßen Doppelbett und genossen die klimatisierte Kühle.
»Und einen Fernseher gibt es auch«, sagte sie.
Tom hatte ihn gesehen. Er stand auf und wollte ihn einschalten. »Nur aus Neugier«, sagte er.
Der Apparat ging nicht an. Er prüfte den Stecker, der in derselben Dose steckte wie die übliche Leselampe, die aber funktionierte.
»Morgen«, murmelte Tom resigniert. Es war ihm egal.
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