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Ripley Under Water

Ripley Under Water

Titel: Ripley Under Water Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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»Ich werde unten Bescheid sagen.«
    Am nächsten Morgen besichtigten sie erst den Grand Socco, dann die Kasbah, worauf sie ein Taxi (ohne Taxameter) zum Hotel zurück nehmen mußten, wegen Héloïse’ Einkäufen: eine braune Lederhandtasche und rote Ledersandalen, die weder sie noch er den ganzen Tag herumschleppen wollten. Tom ließ den Wagen warten, während er die Sachen am Empfang abgab. Dann fuhren sie zum Postamt, wo er das mysteriöse Objekt abschickte, das wie ein Farbband für Schreibmaschinen aussah. Er hatte es in Frankreich neu verpacken lassen. Luftpost, aber nicht per Einschreiben, wie Reeves es wollte. Eine Absenderadresse, echt oder erfunden, gab Tom nicht an.
    Danach ein zweites Taxi zur Kasbah; die Fahrt ging hinauf durch schmale Gassen. York Castle stand hier – hatte er nicht gelesen, Samuel Pepys habe dort zeitweise einen Posten bekleidet? Die Burg thronte über dem Hafen; ihre Festungsmauern wirkten gewaltig und unbezwingbar gegen die kleinen weißen Häuser zu beiden Seiten. Nicht weit davon eine Moschee mit hoher, grüner Kuppel, und als Tom sie betrachtete, setzte lauter Singsang ein: Viermal am Tag rief der Muezzin zum Gebet, hatte Tom gelesen, dieser Tage kam die Stimme vom Band. Die Leute waren zu faul, aus dem Bett zu kommen und die Treppe hinaufzusteigen, dachte er, kannten aber kein Pardon, wenn sie andere um vier Uhr morgens weckten. Vermutlich mußten die Gläubigen aufstehen und irgendwas in Richtung Mekka herunterbeten, dann konnten sie sich wieder hinlegen.
    Das Forbes Museum mit seinen Bleisoldaten gefiel Héloïse wohl weniger als ihm, doch sicher war er nicht. Sie sagte wenig, schien aber genauso fasziniert wie Tom von den Schlachtszenen, den Lagern für die Verwundeten mit ihren blutgetränkten Kopfverbänden, von den paradierenden Regimentern, viele hoch zu Roß. Alles war in langen Glaskästen zu besichtigen. Soldaten und Offiziere waren gut zehn Zentimeter hoch, Karren und Kanonen entsprechend groß. Erstaunlich! Wie aufregend es wäre, wieder sieben Jahre alt zu sein – jäh riß Toms Gedankenkette ab: Seine Eltern waren tot, ertrunken, als er gerade alt genug war, um mit Bleisoldaten etwas anfangen zu können. Damals hatte er bei Tante Dottie gelebt, die deren Zauber nie verstanden und ihm auch nie das Geld dafür gegeben hätte, welche zu kaufen.
    »Ist es nicht toll, hier allein zu sein?« sagte er zu Héloïse – seltsamerweise war nämlich kein Mensch zu sehen in den weitläufigen Zimmerfluchten, die sie durchstreiften.
    Der Eintritt war frei gewesen; der Museumswächter, ein jüngerer Mann in weißer Dschellaba, bat sie hinterher im großen Foyer lediglich, doch so freundlich zu sein, sich ins Besucherbuch einzutragen. Héloïse tat ihm den Gefallen, danach auch Tom. Ein dickes Buch, die Seiten waren cremeweiß.
    »Merci et au revoir!« sagten alle drei reihum.
    »Und jetzt? Ein Taxi?« fragte Tom. »Sieh mal da – glaubst du, das könnte eins sein?«
    Zwischen großen, grünen Rasenflächen gingen sie den Weg vom Eingang hinab zum Straßenrand, wo gerade ein einziger staubiger Wagen stand. Ein Taxi vielleicht? Ja, sie hatten Glück.
    »Au Café de Paris, s’il vous plaît«, sagte Tom durch das offene Fenster, bevor sie einstiegen.
    In Gedanken waren sie jetzt bei Noëlle: In wenigen Stunden flog sie von Roissy ab; sie würden eine Schale frisches Obst auf ihr Zimmer bringen lassen, das eine Etage über ihnen lag, und ein Taxi zum Flughafen nehmen, um sie abzuholen. Tom nippte an einem Tomatensaft, auf dem eine Zitronenscheibe schwamm, Héloïse trank einen Tee mit Minze. Sie hatte davon gehört, aber noch nie einen probiert. Er duftete verlockend. Tom nahm auch einen Schluck. Héloïse sagte, ihr sei viel zu heiß – der Tee solle angeblich helfen, nur wie, wisse sie auch nicht.
    Ihr Hotel lag nur ein paar Schritte weiter. Tom zahlte und nahm gerade sein weißes Jackett von der Stuhllehne, als er auf dem großen Boulevard zu ihrer Linken ein vertrautes Profil zu erkennen glaubte, Kopf und Schultern.
    David Pritchard etwa? Von der Seite sah der Kopf so aus. Tom stellte sich auf die Zehenspitzen, aber Pritchard, wenn er es denn gewesen war, verschwand in der Menge der Passanten. Zur Straßenecke zu laufen und nach ihm Ausschau zu halten, war es nicht wert, dachte Tom, geschweige denn, dem Mann hinterherzurennen. Bestimmt ein Irrtum; sah man nicht mehrmals am Tag diesen Typ: dunkle Haare, Nickelbrille?
    »Hier geht’s lang, Tomme. «
    »Ich weiß.« En route

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