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Ripley Under Water

Ripley Under Water

Titel: Ripley Under Water Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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anscheinend genau auf die dichtgedrängten weißen Häuser zu, die Tom aus dem Flugzeug gesehen hatte.
    Mietshäuser zu beiden Seiten, rote, eher unansehnliche Backsteinbauten, vier bis sechs Stockwerke hoch. Sie rollten über eine Art Hauptstraße, auf den Gehwegen Männer und Frauen in Sandalen, das eine oder andere Café am Straßenrand und kleine Kinder, die tollkühn über die Straße rannten und den Fahrer zum plötzlichen Abbremsen zwangen. Zweifellos war dies nun die eigentliche Stadt, staubig, grau und wimmelnd von Menschen, die einkauften oder spazierengingen. Der Fahrer bog links ab und hielt ein paar Meter weiter.
    Hotel El Minzah. Tom stieg aus, zahlte, gab zehn Dirham Trinkgeld, und ein Page in Rot kam heraus, um das Gepäck hineinzutragen.
    In der Hotelhalle, die mit ihrer hohen Decke eher streng wirkte, füllte Tom den Meldezettel aus. Wenigstens schien sie sauber zu sein; die vorherrschenden Farben waren Rot und Dunkelrot, die Wände dagegen cremeweiß.
    Kurz darauf standen Tom und Héloïse in ihrer »Suite« – den Ausdruck hatte er schon immer lächerlich vornehm gefunden. Sie wusch sich Hände und Gesicht, schnell und sparsam wie immer, und ging ans Auspacken, während er durch die Fenster die Szenerie betrachtete. Nach europäischer Zählung lag ihr Zimmer im vierten Stock. Tom blickte hinab auf ein geschäftiges Treiben, ein Panorama grauer und weißer Gebäude, keines höher als sechs Stockwerke, auf ein Wirrwarr aus Leinen mit Wäsche, einigen zerfetzten, nicht mehr identifizierbaren Fahnen, die von Dachstangen wehten, aus zahllosen Fernsehantennen und noch mehr Wäsche, die ausgebreitet auf den Dächern lag. Durch ein anderes Fenster erblickte Tom direkt darunter die Angehörigen der begüterten Schicht, zu der er vermutlich ebenfalls zählte: Sie sonnten sich auf dem Hotelgelände. Der Pool des Minzah lag schon im Schatten. Hinter den ausgestreckten Körpern in Bikinis und Badehosen standen weiße Tische und Stühle, dann folgte ein Saum ansehnlicher, gutgepflegter Palmen und Büsche und blühender Bougainvilleen.
    Knapp unter Hüfthöhe blies die Klimaanlage kalte Luft nach oben. Tom streckte die Hände aus, ließ die Kühle in seine Hemdsärmel steigen.
    »Chéri!« Ihr Ruf klang leicht beunruhigt, dann lachte sie auf. »L’eau est coupée! Tout d’un coup!« Und: »Genau wie Noëlle gesagt hat, weißt du noch?«
    »Meinte sie nicht, vier Stunden pro Tag insgesamt?« Tom lächelte. »Und was ist mit dem WC ? Und dem Bad?« Er ging ins Badezimmer. »Sagte sie nicht auch – ja, sieh dir das an! Ein Eimer sauberes Wasser! Nicht daß ich das trinken würde, aber zum Waschen…«
    Tom wusch sich nicht ohne Mühe Hände und Gesicht mit kaltem Wasser. Gemeinsam packten sie fast alles aus, dann gingen sie nach draußen. Ein kurzer Spaziergang.
    Tom spielte mit den merkwürdigen Münzen in seiner rechten Hosentasche und fragte sich, wofür er sie zuerst ausgeben sollte: einen Kaffee? Postkarten? Sie standen auf der Place de France, wo sich fünf Straßen kreuzten, darunter die Rue de la Liberté, wo nach Toms Stadtplan ihr Hotel lag.
    »Die da!« Héloïse zeigte auf eine verzierte Lederhandtasche, die vor einem Laden hing, zwischen Kopftüchern und Kupferschüsseln von fraglichem Gebrauchswert. »Hübsch, Tomme, nicht? Außergewöhnlich.«
    »Hmm… Süße, gibt es nicht noch andere Geschäfte? Schauen wir uns erst mal um.« Kurz vor sieben schon, die ersten Händler schlossen ihre Läden. Tom nahm auf einmal ihre Hand: »Ist es nicht herrlich? Ein anderes Land!«
    Héloïse erwiderte sein Lächeln. Er sah die seltsam dunklen Linien in ihren lavendelblauen Augen, die von den Pupillen nach außen liefen wie Speichen von einer Nabe – kein elegantes Bild für etwas so Schönes wie ihre Augen.
    »Ich liebe dich«, sagte er.
    Sie bogen in den Boulevard Pasteur ab, eine breite Straße mit leichtem Gefälle. Mehr Geschäfte hier, alles dichter, gedrängter. Mädchen und Frauen in langen Gewändern eilten vorbei, barfüßig in Sandalen; die männliche Jugend dagegen trug offenbar lieber Bluejeans, Sportschuhe und Sommerhemden.
    »Wie wär’s mit einem Eistee, Liebling? Oder einem Kir? Ich wette, die wissen hier, wie man so etwas richtig macht.«
    Dann zurück zum Hotel, und an der Place de France fanden sie mit Hilfe von Toms schematisiertem Stadtplan aus dem Reiseprospekt das Café de Paris – eine lange, lärmende Reihe von Tischen und Stühlen längs des Bürgersteigs. Tom erwischte wohl den

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