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Ripley Under Water

Ripley Under Water

Titel: Ripley Under Water Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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noch Zeiten (doch wohl eher selten), als er Tante Dottie Karten aus Europa schrieb – wie er gestehen mußte, um nicht in Mißkredit zu fallen und einmal etwas zu erben. Sie hatte ihm 10   000   Dollar hinterlassen, ihr Haus aber, auf das Tom sich gewisse Hoffnungen gemacht hatte, weil es ihm gefiel, jemand anderem vermacht, dessen Namen ihm entfallen war. Vielleicht weil er ihn vergessen wollte.
    Er saß auf einem Hocker an der Hotelbar, weil dort das Licht ganz gut war. Auch eine Karte an die Cleggs wäre eine nette Geste: gute alte Nachbarn, die bei Melun wohnten, beide Engländer, er Rechtsanwalt im Ruhestand. Auf französisch schrieb Tom:
    Liebe Madame Annette,
    sehr heiß hier. Wir haben zwei Ziegen gesehen, die auf dem Gehweg herumliefen. Nicht angeleint!
    Das stimmte, doch der Junge in Sandalen, der sie hütete, hatte seine Sache gut gemacht und sie, wenn nötig, an den Hörnern festgehalten. Was war ihr Ziel gewesen? Er fuhr fort:
    Bitte richten Sie Henri aus, daß die kleine Forsythie beim Gewächshaus gerade jetzt Wasser braucht. A bientôt,
    Tom.
    »Monsieur?« fragte der Barkeeper.
    »Merci, j’attends quelqu’un«, erwiderte Tom. Der Barmann im roten Jackett wußte vermutlich, daß er Hotelgast war. Die Marokkaner konnten wie die Italiener Fremde mit einem Blick erfassen und sich ihre Gesichter einprägen.
    Hoffentlich schlich Pritchard nicht um Belle Ombre herum und versetzte Madame Annette in Unruhe. Sie würde ihn von weitem bestimmt genauso sicher wiedererkennen können wie Tom nun schon. Die Adresse der Cleggs? Ihre Hausnummer wußte er nicht auswendig, doch mit dem Gruß konnte er trotzdem anfangen. Héloïse freute sich immer, wenn er ihr das lästige Postkartenschreiben so weit wie möglich abnahm.
    Tom griff wieder zum Kugelschreiber und sah kurz nach rechts hinüber.
    Er hätte sich die Sorgen um Pritchard und Belle Ombre sparen können, denn da saß der Mann an der Bar, die dunklen Augen auf ihn gerichtet, nur vier Hocker weiter. Er trug seine Nickelbrille und eine blaues kurzärmeliges Hemd, hatte ein Glas vor sich, behielt Tom aber ständig im Blick.
    »Tag«, sagte Pritchard.
    Vom Pool hinter ihm kamen ein paar Leute herein, in Bademänteln und Sandalen, und schlenderten zur Theke.
    »Guten Tag«, erwiderte Tom gelassen. Sein schlimmster, abwegigster Verdacht schien sich zu bestätigen: Die gottverdammten Pritchards hatten ihn in Fontainebleau erspäht, die Flugtickets noch in der Hand oder in der Jackentasche, irgendwo in der Nähe des Reisebüros! Fuck it, dachte Tom. Phuket: Er sah den paradiesischen Strand jener Insel auf dem Poster im Reisebüro vor sich. Wieder betrachtete er seine viergeteilte Postkarte. Die Bilder zeigten ein Kamel, eine Moschee, Marktverkäuferinnen mit gestreiften Kopftüchern, einen Strand in Blau und Gelb. Liebe Cleggs. Tom faßte den Kuli fester.
    »Wie lange bleiben Sie, Mr.   Ripley?« Pritchard wagte sich näher heran, sein Glas in der Hand.
    »Ach, ich denke, morgen reisen wir ab. Sind Sie mit Ihrer Frau hier?«
    »Ja. In einem andern Hotel«, antwortete Pritchard kalt.
    »Übrigens«, fuhr Tom fort, »was haben Sie mit den Fotos vor, die Sie von meinem Haus gemacht haben? Am Sonntag, Sie wissen noch?« Die gleiche Frage hatte er Janice Pritchard gestellt und hoffte, vertraute nach wie vor darauf, daß sie ihrem Mann nichts von dem Rendezvous am Nachmittag erzählt hatte.
    »Sonntag, ja. Ich sah Ihre Frau oder sonstwen vorn aus dem Fenster schauen. Tja, die Fotos – nur für meine Unterlagen. Wie ich schon sagte, hab ich ein ansehnliches Dossier von Ihnen angelegt.«
    Das genau hatte er nicht gesagt, dachte Tom. »Arbeiten Sie für eine Art Detektei? ›Internationale Schnüffler AG ‹?«
    »Ha, ha! Nein, nur zum eigenen Vergnügen – und dem meiner Frau«, setzte er nachdrücklich hinzu. »Und Sie, Mr.   Ripley, sind ein weites Feld.«
    Tom vermutete, daß die nicht allzu aufgeweckte junge Frau im Reisebüro Pritchards Frage beantwortet hatte: »Ihr letzter Kunde hat ein Flugticket gekauft. Wohin? Er ist einer unserer Nachbarn, Mr.   Ripley. Gerade haben wir ihn gegrüßt, doch er hat uns nicht gesehen. Wir wissen nicht, wohin wir fliegen sollen, aber wir würden gern woanders hin.« Womöglich hatte die junge Frau gesagt: »Monsieur Ripley hat soeben Tickets nach Tanger gekauft, für sich und seine Frau.« Vielleicht war sie sogar so beschränkt gewesen, ungefragt das Hotel zu nennen, zumal das Reisebüro eine Provision von den Hotels bekam,

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