Ripley Under Water
zerreißen. Dann sank er in den Sitz zurück.
»Voilà!« Triumphierend klang das.
Héloïse musterte ihn zufrieden, ein Funkeln in den Augen.
Tom schob die Hände in die Hosentaschen: Kein Problem. Sein Messer steckte links.
»La Haffa.« Der Fahrer hielt vor einer Zementmauer, in die Türen eingelassen waren. Eine stand offen. Ein Mauerdurchbruch gab den Blick auf den blauen Atlantik und die Meerenge frei.
»Was ist das hier? Ein Museum?« fragte Tom.
»Thé – café«, gab der Fahrer zurück. »J’attends? Demi-heure?«
Am besten sagte er ja, dachte Tom. »Gut, une demi-heure. «
Héloïse war schon ausgestiegen und schaute auf das blaue Wasser hinaus, den Kopf hoch erhoben. Die stete Brise wehte ihr Haar zur Seite.
In einem steinernen Türbogen stand ein Mann in schwarzen Hosen und losem weißen Hemd und winkte sie langsam heran, wie ein böser Geist, dachte Tom, der sie in die Hölle oder mindestens ins Verderben führen wollte. Ein schwarzer Straßenköter, nur noch Haut und Knochen, schnüffelte an ihnen herum, doch dann verließ ihn offenbar die Kraft und er hinkte auf drei Beinen davon. Was auch immer mit dem vierten Bein nicht stimmte, der Hund lebte schon lange damit.
Beinah widerwillig folgte Tom seiner Frau durch den grob behauenen Steinbogen und ging auf einem Plattenweg in Richtung Meer. Zur Linken sah er eine Art Küche mit einem Ofen zum Wasserkochen. Breite Stufen ohne Geländer führten zur See hinab. Er warf einen Blick in die kleinen Räume zu beiden Seiten, Nischen ohne Mauern zum Meer hin: Strohmatten auf Stangen als Dach, Matten auf dem Boden, sonst waren sie leer. Auch Gäste waren keine zu sehen. »Seltsam«, sagte er zu Héloïse. »Minztee?«
Sie schüttelte den Kopf. »Jetzt nicht. Ich mag das hier nicht.«
Er auch nicht. Der Kellner war verschwunden. Tom konnte sich vorstellen, daß es hier faszinierend sein könnte, nachts oder bei Sonnenuntergang, mit Freunden, wenn ein bißchen mehr los war, eine Öllampe auf dem Boden: Alle säßen im Schneidersitz auf diesen Matten oder lehnten sich zurück wie die alten Griechen. Dann hörte Tom aus einer der Nischen Gelächter – drei Männer rauchten etwas, im Schneidersitz auf den Matten sitzend. Flüchtig bemerkte Tom Teetassen, einen weißen Teller im Schatten, wie mit Gold gesprenkelt, wo ein Sonnenstrahl ihn traf.
Ihr Taxi wartete; der Fahrer redete lachend mit dem schmächtigen Burschen im weißen Hemd.
Zurück zum El Minzah. Tom zahlte das Taxi und betrat mit Héloïse die Hotelhalle. Von Pritchard war nichts zu sehen. Und zufrieden stellte er fest, daß er in seiner Dschellaba gar nicht auffiel.
» Chérie, ich muß etwas erledigen. Jetzt gleich – dauert etwa eine Stunde. Würd’s dir was ausmachen, allein zum Flughafen zu fahren und Noëlle abzuholen?«
»No-on.« Sie dehnte das Wort nachdenklich. »Wir kommen natürlich sofort hierher zurück. Was hast du vor?«
Tom lächelte zögernd: »Ist nicht weiter wichtig. Ich will einfach nur… eine Weile für mich sein. Dann sehen wir uns später, gegen acht? Oder kurz danach? Grüß Noëlle von mir. Bis bald, dann zu dritt.«
8
Tom trat wieder hinaus in die Sonne, raffte die Dschellaba und zog seinen schematisierten Stadtplan aus der Gesäßtasche. Das Grand Hôtel Villa de France, das Pritchard erwähnt hatte, lag anscheinend wirklich gleich um die Ecke, zu erreichen über die Rue de Hollande. Er ging los, wischte sich mit dem oberen Teil des hellgrünen Langhemds den Schweiß von der Stirn, faßte es dann an den Seiten und zog sich das Ding im Gehen über den Kopf. Leider hatte er keine Plastiktasche dabei, doch ließ es sich klein und quadratisch zusammenfalten.
Niemand beachtete ihn; auch Tom sah die Passanten nicht an. Die meisten, Frauen wie Männer, trugen irgendwelche Einkaufstaschen: keine Spaziergänger.
Er betrat die Halle des Grand Hotels und sah sich um: nicht so vornehm wie das Minzah, vier Gäste in Sesseln, keiner davon Pritchard oder seine Frau. Tom ging zum Empfang und fragte, ob Monsieur David Pritchard zu sprechen sei.
»Ou Madame Pritchard«, fügte er hinzu.
»Wen darf ich melden?« fragte der junge Mann hinter dem Tresen.
»Einfach nur Thomas.«
»Monsieur Thomas?«
»Oui.«
Offenbar war Monsieur Pritchard ausgegangen, obwohl der junge Mann nach einem Blick über die Schulter sagte, sein Schlüssel sei nicht da.
»Könnte ich mit seiner Frau sprechen?«
Der junge Mann legte auf. Monsieur Pritchard reise allein.
»Vielen Dank. Bitte
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