Ripley Under Water
Sie.«
»Ja, wenn Sie sich auch so benehmen wie wir alle. Ich hätte Lust, Sie der Polizei zu melden, damit die ein Auge auf Sie hat – in Villeperce, wo ich nämlich schon seit Jahren wohne.«
» Sie wollen die Polizei rufen?« Pritchard lachte gezwungen.
»Ich könnte melden, daß Sie mein Haus fotografieren. Drei Zeugen habe ich dafür, außer mir natürlich.« Tom hätte noch eine vierte Zeugin nennen können: Janice Pritchard.
Er stellte die Tasse auf den Boden; Pritchard hatte seinen Tee stehenlassen, nachdem er sich verbrannt hatte.
Zur Rechten, hinter Pritchard, sank die Sonne immer tiefer in Richtung auf das blaue Wasser nieder. Im Augenblick versuchte Pritchard noch, den Gelassenen zu spielen. Tom fiel ein, daß der Mann Judo konnte (oder das wenigstens behauptet hatte). Hatte er etwa gelogen? Plötzlich ging die Wut mit Tom durch, er explodierte, wollte Pritchard mit dem rechten Bein in den Bauch treten (vielleicht eine Karatetechnik), traf ihn aber zu tief, zwischen den Beinen.
Der andere klappte zusammen, hielt sich die Lenden vor Schmerz, und Tom verpaßte ihm eine saubere Rechte aufs Kinn, mit der geballten Faust. Pritchard schlug auf der Matte, die den Steinboden bedeckte, mit einem dumpfen Laut auf, wie ein nasser Sack, als sei er bewußtlos. Aber womöglich war er das nicht.
Tritt niemals einen, der am Boden liegt, dachte Tom, und trat Pritchard in das Zwerchfell, und zwar hart. Er war so wütend, daß er sein neues Messer hätte ziehen und ein paarmal zustechen können, aber die Zeit könnte knapp werden. Trotzdem riß er den Mann am Hemdkragen hoch und landete mit der Rechten einen weiteren Kinnhaken.
Diese kleine Rauferei hatte er eindeutig gewonnen, dachte Tom, als er die Dschellaba über den Kopf zog. Kein Tee verschüttet, kein Blut vergossen – sollte ein Kellner hereinkommen, würde er, so wie Pritchard lag (auf der linken Seite, mit dem Rücken zum Eingang), vermuten, der Mann sei eingenickt. Tom trat hinaus, stieg scheinbar mühelos die steinernen Stufen nach oben zur Küche, ging hinaus und nickte dem jungen Mann im schlaffen, losen Hemd zu, der vor der Mauer stand.
»Un taxi? C’est possible?« fragte er.
»Oui – peut-être cinq minutes?« Der Jüngling wiegte den Kopf hin und her, als glaube er selbst nicht an die fünf Minuten.
»Merci. J’attendrai.« Andere Transportmittel, etwa einen Bus, sah Tom nicht, auch keine Haltestelle. Noch immer energiegeladen, marschierte er betont langsam am Straßenrand entlang (einen Gehweg gab es nicht) und genoß den Wind auf seiner feuchten Stirn. Padam, padam, padam: Tom schritt dahin wie ein gedankenverlorener Philosoph, sah auf die Uhr – drei vor halb acht –, machte kehrt und schlenderte in aller Ruhe zurück nach La Haffa.
Er versuchte sich vorzustellen, wie Pritchard ihn bei der Polizei von Tanger anzeigte, wegen tätlichen Angriffs und Körperverletzung. Eigentlich unvorstellbar, dachte er. Die Probleme nähmen kein Ende. Pritchard würde das nie tun.
Wenn nun ein Kellner herausgerannt käme, wie in England oder Frankreich durchaus denkbar, und riefe: »Monsieur, Ihr Freund ist verletzt!«, würde er so tun, als wisse er nichts von dem Unglück. Da aber die Teestunde (und wann war hier keine?) sich so geruhsam hinzog und er schon gezahlt hatte, bezweifelte Tom, daß ein aufgeregter Kellner durch den steinernen Türbogen von La Haffa stürzen und nach ihm suchen würde.
Rund zehn Minuten später näherte sich ein Taxi aus Richtung Tanger. Es hielt, drei Männer stiegen aus. Tom lief hinüber, reservierte den Wagen und fand noch die Zeit, dem Jungen am Torbogen das Kleingeld aus der Hosentasche zu geben.
»Hotel El Minzah, s’il vous plaît !« sagte er, lehnte sich zurück, um die Fahrt zu genießen, zog die ziemlich zerdrückte Schachtel Gitanes hervor und zündete sich eine Zigarette an.
Allmählich gefiel ihm Marokko. Die schönen, weißen, dichtgedrängten Häuschen der Kasbah, der Altstadt, kamen näher und näher; dann war es, als würde das Taxi von der Stadt verschluckt, als wäre es unsichtbar auf dem langen Boulevard. Der Wagen bog links ab. Da war sein Hotel. Tom zückte die Brieftasche.
Auf dem Bürgersteig vor dem Eingang des Minzah griff er gelassen nach dem Saum seiner Dschellaba, zog sie über den Kopf und faltete sie zusammen, so wie zuvor. Ein kleiner Kratzer am Ringfinger seiner Rechten hatte ein paar Flecken auf dem Gewand hinterlassen; im Taxi war er ihm schon aufgefallen, jetzt blutete er aber
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