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Ripley Under Water

Ripley Under Water

Titel: Ripley Under Water Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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  15   Uhr nach Roissy fliegen würde. Der Mann hatte Tom versichert, die Bestätigung der Reservierung werde er am Flughafen von Tanger vorfinden. Deshalb konnte er sich nun ganz der Landschaft um ihn zuwenden, zumindest glaubte er das. Um Madame Annette anzurufen, war keine Zeit mehr geblieben, aber wenn er unerwartet auftauchte, würde sie das nicht erschrecken. Außerdem hing an seinem Schlüsselring auch ein Schlüssel fürs Haus.
    »Now, siis place was very important. Always«, begann Noëlle auf englisch ihren Vortrag über Kap Spartel, nachdem Tom trotz ihrer Proteste die Taxifahrt gezahlt hatte. »Die Römer waren hier – alle waren sie hier«, fuhr sie fort und breitete die Arme aus.
    Ihre Lederhandtasche hing über der Schulter. Heute trug sie eine gelbe Baumwollhose und eine weite Jacke über dem Hemd. Der stete Wind fuhr in die Kleider und wehte das Haar nach Westen, oder was Tom für den Westen hielt; er bauschte die Hemden und Hosen der Männer auf und blieb dabei doch sanft. Zwei langgestreckte bar-cafés schienen die einzigen Gebäude weit und breit zu sein; das Kap ragte hoch auf über der Straße von Gibraltar und bot Tom den bislang besten Blick auf die Meerenge, weil der Atlantik sich so weit nach Westen erstreckte.
    Verächtlich grinsende Kamele betrachteten sie aus wenigen Metern Entfernung. Ein paar Tiere hatten es sich im Sand bequem gemacht, die Beine unter sich gezogen. Ein Mann in weißer Dschellaba und Turban hütete sie; er blieb in der Nähe, ohne sie aber eines Blickes zu würdigen. Er aß Erdnüsse oder etwas Ähnliches aus der hohlen Hand.
    »Ein Ritt, jetzt oder nach dem Essen?« fragte Noëlle auf französisch. »Seht mal, dort! Das hatte ich fast vergessen!« Sie zeigte auf die Küste im Westen, die in einem wunderschönen Bogen nach Süden schwang, wo Tom Ruinen ausmachen konnte, braune, flache, adobeartige Überreste von Sälen und Wohnräumen. »Die Römer haben dort Fischtran gewonnen und nach Rom verschifft. Einst gehörte das alles hier ihnen!«
    Tom sah zu einem Hügel hinüber: Ein Mann stieg von einem Motorrad und nahm sofort die Gebetshaltung ein, den Hintern oben, den Kopf unten, zweifellos gen Mekka gewandt.
    Beide Cafés hatten Tische drinnen und draußen aufgestellt; eines verfügte über eine Terrasse mit Meerblick, das gab den Ausschlag. Sie nahmen an einem weißen Eisentisch Platz.
    »Wunderschöner Himmel!« sagte Tom. Wirklich war der Anblick eindrucksvoll, ja unvergeßlich: die große blaue wolkenlose Kuppel, kein Flugzeug, kein Vogel in diesem Moment, nur Stille und ein Gefühl der Zeitlosigkeit. Hatten sich denn, dachte er, die Kamele über die Jahrtausende verändert, seit damals, als die Reiter auf ihren Höckern keine Kameras besaßen?
    Zu Mittag aßen sie nur Kleinigkeiten, was Heloïse besonders gern tat – Oliven, Radieschen, kleine Happen gebratenen Fisch, und tranken Tomatensaft und Perrier. Unter dem Tisch sah Tom verstohlen auf seine Uhr: kurz vor zwei.
    Die Frauen redeten über einen Kamelritt. Noëlles schmales Gesicht mit der feinen Nase war schon sonnengebräunt. Oder war das ihre Sonnenschutzcreme? Wie lange würden sie und Heloïse in Tanger bleiben?
    »Noch drei Tage vielleicht?« Sie sah Héloïse fragend an. »Ich habe Freunde hier. Im Golfclub kann man mittags gut essen. Heute morgen konnte ich nur einen meiner Freunde erreichen.«
    »Rufst du mich an, Tomme ?« fragte seine Frau. »Die Nummer des Rembrandt hast du ja.«
    »Natürlich, chérie. «
    »Nur zu schade«, fuhr Noëlle erbittert fort, »daß bar-bares wie dieser Prichard einem so den Urlaub verderben können!«
    »Ach…« Tom zuckte die Achseln. »Verdorben hat er ihn ja nicht. Außerdem muß ich zu Hause ein paar Sachen erledigen. Und anderswo.« Er fand nicht, er sei vage geblieben, obwohl er nichts Genaues gesagt hatte. Noëlle interessierte sich nicht im geringsten für die Details seiner geschäftlichen Aktivitäten, dafür, wie er sein Geld verdiente. Sie lebte vom Familienvermögen sowie von Zahlungen ihres Exehemanns, erinnerte er sich dunkel.
    Nach dem Imbiß schlenderten sie zu den Kamelen hinüber, aber nicht ohne zuerst Bébé-Âne zu streicheln, auf den sein Besitzer sie aufmerksam machte, ein Mann in Sandalen, der das Muttertier hütete. Das Eselbaby, flauschiges Fell und Plüschohren, schmiegte sich dicht an die Flanke der Eselin.
    »Bild? Foto?« fragte der Mann. »Bébé-Âne.«
    Noëlle hatte eine Kamera in ihrem geräumigen Rucksack dabei, holte sie

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